Die Insel Der Tausend Quellen
Handwerker war ihr Mann ziemlich unzufrieden. »Er das hasst, er viel lieber jagen. War immer Jäger … na ja, manchmal auch bisschen geklaut auf Plantagen … aber nicht kann weben. Sagt, ist Weiberarbeit.«
»Ist auch Weiberarbeit«, stimmte Millie zu, eine befreite Haussklavin, die sich mit der Feldarbeit äußerst schwertat. »Ich gut in Weben, gut in Nähen.«
Die anderen Frauen nickten. Jede von ihnen hätte ein schattiges Plätzchen am Webrahmen der Zuckerrohrernte vorgezogen. »Wenn Vertrag geschlossen und Handel frei, wir kaufen Tuch und nähen Kleider!«, war die allgemeine Meinung, wobei Mädchen wie Mansah auch gern noch kichernd ein »Kaufen Seide und nähen Kleider, wie feine weiße Missis hat!« hinzufügten.
Granny Nanny würde es schwerfallen, ihr Kleinafrika in den Blue Mountains zu erhalten, wenn die Weißen die Handelsverbote wirklich aufhoben.
Nora machte die Feldarbeit wenig aus. Ihr Körper war inzwischen an die Belastungen gewöhnt, und sie hatte immer gern draußen gearbeitet. Beim Jäten und Säen schwätzte sie mit den anderen Frauen, hielt die Kinder zu spielerischem Helfen an und fand auch immer wieder Zeiten, allein zu sein und ihre Gedanken schweifen zu lassen. Inzwischen währte ihre Gefangenschaft in Nanny Town fünf lange Jahre, und sie hatte sich mehr oder weniger damit abgefunden. Máanu und sie waren keine Freundinnen geworden, nachdem sie Jefe auf die Welt geholfen hatte, aber es herrschte doch zumindest eine Art Waffenstillstand. Auch mit Akwasi hatte sich Nora halbwegs arrangiert. Er verteilte seine »Gunst« zwischen beiden Frauen, wie das, was er Gesetz nannte, es von ihm verlangte. Allerdings zog er Nora zu deren Leidwesen deutlich vor. Sie war inzwischen überzeugt davon, dass es bei ihrer Entführung nicht nur darum gegangen war, Doug Fortnam die Frau wegzunehmen. Vielleicht war sogar dieses verrückte Abenteuer nach der Obeah-Zeremonie kein Zufall gewesen, womöglich hatte Akwasi Nora schon damals geliebt oder doch zumindest begehrt.
Mit dieser seltsamen Liebe konnte Nora besser umgehen als mit dem Hass und Zorn, die die ersten Monate ihrer Beziehung bestimmt hatten. Sie empfand nach wie vor nichts für Akwasi und fürchtete die Nächte mit ihm, aber es war nicht mehr gar so schlimm wie am Anfang, und mitunter kam es sogar zu einer Art Gespräch zwischen ihr und Akwasi. Nora erfuhr einiges über die Verhandlungen zwischen dem Gouverneur und den Windward Maroons. Die Vertreter der Krone, Gouverneur Edward Trelawny und sein Heerführer Colonel Guthrie, hatten wohl eingesehen, dass es freie Schwarze auf Jamaika gab und immer geben würde. Es war sehr viel vernünftiger, ihr Gebiet als eigenständige Kolonie anzuerkennen und ihre Stellung als Bürger zu garantieren, statt sie immer wieder zu bekämpfen. Die Grundlagen des Abkommens standen auch bereits fest: Der Gouverneur würde seine Ansprüche auf das Land der Maroons aufgeben und es ihnen offiziell überschreiben. Freier Handel sollte erlaubt sein, die Maroons würden sich in den Siedlungen der Weißen unbehelligt bewegen können. Als Gegenleistung würden jegliche Angriffe auf Plantagen eingestellt und keine Sklaven mehr befreit werden. Die genaue Ausformulierung des letzten Punktes war jedoch noch umstritten, und die Auseinandersetzung tobte heftig. Der Gouverneur bestand auf einer Verpflichtung der Maroons, entflohene, zu ihnen geflüchtete Sklaven zurückzuschicken. Solche Vereinbarungen hatte es früher schon zwischen Pflanzern und freien Schwarzen gegeben, worauf sich Trelawny nun auch berief. Cudjoe und Accompong waren bereit, den Vertrag so zu akzeptieren, aber Nanny wehrte sich mit aller Kraft. Sie würde sich gern verpflichten, keine Sklaven mehr zu befreien – wobei das ohnehin wegfiel, wenn sie keine Überfälle mehr auf Plantagen verübte. Aber hilflose Menschen zurückschicken, die nach verzweifelter Flucht endlich eine Zuflucht gefunden hatten – das lehnte die schwarze Queen ab.
»Zumal die Weißen ja noch mehr wollen!«, erklärte Akwasi, der ganz auf Seiten Nannys stand, zornig. »Da wir die Berge doch so gut kennen, könnten wir uns ein nettes Zubrot verdienen, indem wir entlaufene Sklaven regelrecht jagen! Man würde eine Kopfprämie für jeden zahlen, den wir zurückbringen! Unvorstellbar, dass Cudjoe das gutheißt!«
Nora hatte dazu nur die Augenbrauen hochgezogen. Sie hielt schon Nanny nicht unbedingt für eine Heldin, aber für Cudjoe hatte sie nichts als Verachtung übrig. Natürlich
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