Die Insel Der Tausend Quellen
hat, erst recht, wenn er womöglich stirbt, dann kann ich sie nicht schützen.«
Maalik gab einen heulenden Laut von sich.
Doug seufzte. »Sie ist mein Eigentum, ich kann sie vor willkürlichen Strafen bewahren. Aber bei Mord greift das Gesetz der Krone, egal ob Sklave oder freier Mann.«
»Sie gut Mädchen …«, wimmerte Maalik.
»Sie hat sich doch nur verteidigt«, bemerkte McCloud.
Doug verzog das Gesicht. »Das muss man ihr erst mal glauben. Mehr noch, sie müsste beweisen, dass er ihr Gewalt antun wollte. Und selbst wenn sie das könnte: Ich brauche doch hier keinem zu sagen, wie viel die Ehre einer Negerin gilt!«
McCloud ließ den Kopf hängen. Kwadwo versuchte, Maalik in völlig unverständlichem Pidgin irgendetwas zu erklären.
Doug straffte sich. »Wie auch immer, wir müssen die Lage irgendwie meistern. Am besten reite ich morgen erst mal rüber und schaue mir selbst an, was los ist. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Und falls doch … Die Kleine soll ihre Sachen packen, und du erklärst ihr, Kwadwo, wie sie um Kingston herum in die Berge kommt.«
»Sie wollen …? Sie soll …? Sie wollen sie freilassen?«
Ian McCloud starrte Doug völlig verblüfft an, Kwadwo nicht minder.
Doug zuckte die Schultern. »Wenn sie gehenkt wird, bin ich sie auch los«, sagte er pragmatisch. »Und habe obendrein ein schlechtes Gewissen. Es war schließlich meine Schuld, ich hätte sie nie in dieses Haus schicken dürfen.«
»Aber wenn das Schule macht …«
Ian McCloud war kein Hardliner, aber einen Sklaven einfach flüchten zu lassen, mehr noch, ihn auch noch zur Flucht zu ermuntern …
»Sie wird gar nicht gehen«, gab Kwadwo zu bedenken. »Überlegen Sie doch, Backra, das kleine Mädchen, ganz allein in den Blue Mountains …«
Doug verdrehte die Augen. »Máanu ist damals auch …«
»Aber Alima ist nicht Máanu.« Kwadwo schüttelte den Kopf. »Alima war immer beschützt, immer bei ihrer Familie – und dann dieser komische Gott.« Was den Islam anging, waren der Reverend und der Obeah-Mann zumindest tendenziell einer Meinung. »Und wo sie nicht mal zur Obeah-Zeremonie dürfte. Die traut sich doch kein Mann anzugucken. Und da soll sie in die Berge … unter die Krieger der Maroons?«
Doug seufzte. Hatte er nicht geahnt, dass ihn das Hollister-Arrangement teuer zu stehen kommen konnte?
»Also schön, Kwadwo. Erklär Maalik den Weg. Sollen sie in Gottes Namen zusammen verschwinden, die ganze Familie. Aber nur, wenn’s gar nicht anders geht.« Er stand auf.
Ian McCloud war noch immer fassungslos, Kwadwo betrachtete seinen Herrn mit ganz neuer Achtung, fast Ehrfurcht.
»Was ist, wenn heute Nacht noch was passiert?«, fragte McCloud schließlich. »Wenn jemand von der Obrigkeit …«
Doug schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich. Die Lady wird andere Dinge im Kopf haben, als das Mädchen gleich anzuzeigen – und der Lord erst recht. Die Rotröcke kommen frühestens morgen. Aber falls doch jemand auftaucht: Das Mädchen ist nie hier gewesen. Es mag sich sonst wo verstecken, aber hier ist es nicht angekommen. Nun gucken Sie nicht so verschreckt, McCloud! Man wird uns das schon glauben, ich gelte als ehrenwerter Mann. Wenn der Gouverneur daran zweifelt, kann er später ja immer noch die Sklavenquartiere durchsuchen lassen …«
Später würden Alima und ihre Familie fort sein. Sklaven im Wert von über fünfhundert Pfund. Doug konnte Lord Hollister nicht wirklich bedauern.
Bis zum nächsten Morgen geschah natürlich nichts, aber Kwadwo hielt Amigo schon gesattelt bereit, als Doug früh in die Ställe kam. Er blickte sehr besorgt, Alima und Khadija hatten die ganze Nacht geweint. Die Frauen wollten nicht in die Berge und Maalik eigentlich auch nicht … Doug fasste sich an die Stirn. Wieder eine Erfahrung, die er gern mit Nora geteilt hätte. Dann würden sie vielleicht freiwillig bleiben … Nora hatte ihn damals ausgelacht, als er die Möglichkeit äußerte.
Nun quälte Doug sich mit Selbstvorwürfen, während er die zwei Meilen zu Hollisters hinüberritt. Er hätte es wissen müssen. Er hätte der Lady kein Mädchen schicken dürfen, erst recht kein so extrem schüchternes und tugendhaftes wie Alima. Ein dreisteres kleines Ding hätte den Lord geschickter abgewehrt oder sich ihm sogar hingegeben. Immerhin hatte er das Mädchen ja für seine Gunst belohnen wollen, und ein neues Kleid war für eine junge Sklavin ein großherziges Geschenk. Dann hätte Doug es jetzt
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