Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
mochte es sein, dass sein Gemeinwesen in Saint James Parish ebenso gut organisiert war wie Nanny Town, aber letztlich gründete sich sein Ruhm vor allem auf äußerst brutale Überfälle in dessen Umgebung. Nirgendwo hatten die Pflanzer so unter den Maroons zu leiden wie im Nordwesten – was in den letzten Jahren natürlich zum Aufbau regelrechter Privatarmeen geführt hatte. Cudjoes Ausfälle waren zusehends weniger erfolgreich. Man drängte ihn in die Berge zurück, die von ihm kontrollierten Landstriche wurden immer kleiner. Nora nahm an, dass hier der Grund für seine plötzliche Verhandlungsbereitschaft zu suchen war. Garantiert würde er begeistert Patrouillen in die Berge schicken, um entlaufene Sklaven zu jagen und gegen Geld zurückzubringen. Seine Vorfahren in Afrika hatten ja nie viel anderes getan. Sklavenhandel galt bei den Ashanti als durchaus ehrenwerter Berufszweig.
    Vorerst war Nanny noch nicht bereit, seinen Wünschen nachzugeben, aber auf Dauer würde es zu einem Vertragsschluss kommen, da war Akwasi sich sicher. Nora sah dem Tag mit Trauer entgegen, bedeutete er für sie doch die endgültige Festschreibung ihrer eigenen Sklaverei. Offensichtlich tolerierten die Weißen die Gefangenschaft einer der ihren bei den Maroons – nach den ersten Monaten des Hoffens hatte sie sich irgendwann damit abgefunden. Wahrscheinlich würde sie den Rest ihres Lebens in ihrer Hütte verbringen, Feldarbeit verrichten und einem Mann zu Willen sein, den sie nicht liebte.
    Nora tröstete sich damit, dass sie dieses Los mit Tausenden von Frauen überall in der Welt teilte. Afrikanische Mädchen suchten sich ihre Männer wohl auch eher selten selbst aus, und schon die grausame Sitte der Beschneidung hinderte sie daran, Freude an der Liebe zu empfinden. Wobei Liebe das war, was Nora am meisten vermisste. Der Luxus von Cascarilla Gardens fehlte ihr nicht; ihr heutiges Leben unterschied sich gar nicht so sehr von dem, das sie sich damals mit Simon erträumt hatte. Gut, ihre Hütte lag nicht am Meer, sondern in den Bergen, aber es war warm und die Umgebung von Nanny Town traumhaft schön. Nora durfte sich in den vergangenen drei Jahren freier bewegen und erkundete begeistert die Pflanzenvielfalt, die Bachläufe und Wasserfälle, die von der Natur oft verspielter und ansprechender gestaltet worden waren als jeder Springbrunnen in englischen Parks. Mit Dede und Jefe beobachtete sie Schmetterlinge und Vögel, eins der Tiere farbenprächtiger und graziler als das andere. Sie sammelte Blüten, Blätter und Wurzeln – als Heilkräuter, aber auch einfach um ihrer Schönheit willen. Und natürlich liebte sie ihre Tochter, die so ganz in diese Umgebung passte.
    Die kleine Deirdre war graziös wie eine Elfe. Wenn Nora ihr Haar mit Blumen schmückte, wirkte sie wie einem Märchenbuch entsprungen. Deirdres Haut war eher rötlich braun als schwarz, nicht sehr viel dunkler als Noras eigene, aber schimmernder. Dazu hatte sie tatsächlich Noras leuchtend grüne Augen geerbt und ihren zarten Knochenbau. Akwasis Züge erkannte man nicht in ihrem Gesicht – während Jefe seinem Vater jetzt schon ähnlich sah. Dede verband ihr schwarzes und weißes Erbe zu einem eigenwilligen exotischen Aussehen. Auch ihr Haar war eine seltsame Mischung: schwarz und glänzend wie das ihres Vaters, aber fein und großlockig wie Noras. Nora war überzeugt, dass ihr kleines Mädchen zu einer außergewöhnlichen Schönheit heranwuchs. Zu schade, dass es in dieser abgelegenen Siedlung vergraben bleiben würde, verheiratet mit irgendeinem Krieger und verurteilt zum Bestellen seiner Felder.
    Aber daran mochte Nora vorerst nicht denken. Sie verweigerte sich der Resignation, weder wollte sie sich selbst aufgeben, noch ihre Tochter. Je ruhiger ihr Leben verlief, desto häufiger fand Nora inzwischen zurück in die Welt ihrer Tagträume. Sie stellte sich eine Flucht mit Deirdre vor und eine glückliche Zukunft. Kaum dass Dede alt genug war, Geschichten zu verstehen, begann Nora, ihr Märchen zu erzählen, die sie sich selbst für sie ausdachte. Eines Tages, so schilderte sie dem Mädchen, würde ein Prinz nach Nanny Town kommen und sich auf den ersten Blick in Dede verlieben. Er würde sie mit auf eine Insel im fernen Meer nehmen, ihr dort ein Haus bauen und sie für immer lieben.
    »Und natürlich sind alle Menschen frei auf dieser Insel. Sie bestellen das Land nicht, sie essen einfach das, was auf den Bäumen wächst, und sie sind glücklich mit dem, was sie haben, sie

Weitere Kostenlose Bücher