Die Insel Der Tausend Quellen
selbst konnte keinen Besuch empfangen. Sie wurde nicht müde zu erzählen, wie sehr sie von dem »Niggerfreund« Doug Fortnam, wie sie sich auszudrücken pflegte, und seiner teuflischen Sklavin hinters Licht geführt worden war. Nun konnten sich die meisten Pflanzer zweifellos die wahre Geschichte zusammenreimen, aber sie sahen es natürlich wie die Constables: Lord Hollister büßte zu hart für ein Kavaliersdelikt. Das Mädchen hätte sich fügen müssen oder allenfalls weglaufen dürfen. Seine Panikreaktion traf auf keinen Funken von Verständnis.
Doug hatte es denn auch aufgegeben, Alima zu entschuldigen. Er schimpfte stattdessen über den Verlust von Maalik und Khadija, um unter den Weißen nicht vollends das Gesicht zu verlieren. Wenn er nun eine Ungeheuerlichkeit wie die Schändung weißer Frauen in einer Maroon-Siedlung anprangerte, würde er neues Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnen. Und hoffentlich keinen Krieg auslösen, dem dann wieder Alima und ihre Familie, Máanu und Akwasi zum Opfer fielen. Doug grollte seinen entlaufenen Sklaven nicht. Máanu hatte gute Gründe gehabt wegzulaufen, und Akwasi – wer hätte den Überfall der Maroons nicht genutzt, sich selbst zu befreien?
Aber er konnte es drehen und wenden, wie er wollte: Einen Bruch mit der Gesellschaft der Pflanzer in Kingston konnte er nicht riskieren. Zu viele Geschäfte wurden gemeinsam abgeschlossen, zu viele Schiffe gechartert – und auch um den Gouverneur ein bisschen zu kontrollieren, musste man zusammenhalten. Im Alleingang konnte er Cascarilla Gardens vielleicht halten, aber die Einkünfte würden drastisch sinken – und dann könnte Doug es sich auch nicht mehr leisten, seinen Sklaven so viele Freiheiten und Vergünstigungen zu lassen wie jetzt.
Manchmal, dachte Doug, fühle ich mich wie auf einem Drahtseil und unendlich allein. Es gab letztlich niemanden, mit dem er über seine Gedanken und Gefühle reden konnte; er vermisste Nora schmerzlich. Während Amigo wieder einmal auf die Straße nach Kingston zutrabte – Doug war entschlossen, seine Nachforschungen nicht länger zu verschieben –, kämpfte sein Reiter kurz mit dem Verlangen, stattdessen zum Strand abzubiegen und Noras Geist in der Hütte dort zu suchen. Oder Simons Geist – wahrscheinlich wäre selbst der ein angenehmerer Gesprächspartner gewesen als die Leute, die er an diesem Tag zu treffen plante.
Doug lenkte die Schritte seines Pferdes aber doch in die Stadt – zunächst nach Spanish Town, auf den ältesten Markt. Hier hatten Händler ihre Niederlassungen, von denen man munkelte, sie machten Geschäfte mit den Maroons. Sofern man bei den baufälligen Schuppen von Niederlassungen reden konnte. Die Männer führten sie meist mithilfe von einem oder zwei Sklaven, oft Frauen, die ihnen des Nachts wohl auch zu Willen waren. Es handelte sich um zwielichtige Kerle, Doug hatte gewöhnlich nichts mit ihnen zu schaffen. Genau genommen hätte er ihre Namen gar nicht gekannt, wären sie nicht gelegentlich auf Versammlungen der Pflanzer gefallen – meist in abfälligem Zusammenhang. Außerdem hörte er zuweilen etwas von seinen Sklaven. Einige von ihnen hatten um die Erlaubnis gebeten, Gemüse und Eier im Ort zu verkaufen. Viele Frauen beackerten kleine Gärten rund um ihre Häuser und hielten Kleinvieh für den eigenen Bedarf. Der Verkauf von Überschüssen konnte ihnen obendrein ein paar Pennys einbringen.
»Wer nimmt sie euch denn eigentlich ab?«, hatte Doug einmal misstrauisch gefragt, woraufhin die Namen Whistler und Barefoot fielen.
Doug hatte keine Ahnung, ob die Kerle wirklich so hießen, aber in den schlechteren Vierteln von Spanish Town kannte sie offensichtlich jedes Kind. Nun führte Doug sein Pferd durch die engen Straßen der alten Stadt und fand Barefoots Geschäft neben einer Taverne. Wie erwartet ein Schuppen, in dem ein paar Fässer mit billigem Rum und Säcke mit Hülsenfrüchten und getrockneten Feigen auf Käufer warteten. Außerdem türmten sich Haushaltsgegenstände aus Eisen, Töpfe, Pfannen und andere Gerätschaften in den Ecken. Als Doug durch ein kleines Fenster hineinspähte, öffnete ihm eine schwarze Frau. Sie hielt den Blick ängstlich gesenkt.
»Wollen Sie kaufen, Backra?«, fragte sie leise. »Proviant für Schiff …«
Doug schüttelte den Kopf. »Ich habe kein Schiff«, meinte er. »Aber ich würde gern deinen Backra sprechen. Barefoot. Das ist er doch?«
Die Frau nickte. Sie war noch recht jung und hübsch, aber sie wirkte
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