Die Insel Der Tausend Quellen
… hingezogen. Warum sollte das umgekehrt nicht auch so sein? Soweit wir wissen, lebt die Lady dort als Ehefrau eines angesehenen Kriegers.«
»Oder als seine Sklavin!«, höhnte Doug. »Sie wissen nicht, wer sie ist?«
Der Gouverneur zuckte die Schultern unter seiner Brokatweste. Er war sehr sorgfältig gekleidet, und unter anderen Bedingungen hätte Doug sich seiner Breeches fast geschämt. Er mutete dem Gouverneur mit seiner Erscheinung wirklich einiges zu … Vielleicht, dachte er, sollte ich wenigstens vorsichtiger mit ihm umgehen.
»Es wird niemand vermisst, wenn Sie das meinen«, bemerkte Trelawny. »Wir gehen also von einer, nun ja, einer Frau aus dem Hafenviertel aus. Vielleicht auch eine der Sträflingsfrauen, die sie hier ja immer noch manchmal abladen, obwohl wir uns das bereits mehrmals verbeten haben …« Er machte eine hilflose Geste.
Doug schüttelte den Kopf. »Es gibt Indizien dafür, dass es nicht so ist«, sagte er dann. »Die Frau, um die es geht, wurde verschleppt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt sich um Nora Fortnam, die … äh … Ehefrau meines ermordeten Vaters.«
Trelawny hob interessiert den Kopf. Seine Perücke saß tadellos, sein weiß geschminktes Gesicht zeigte einen leicht verwunderten Ausdruck. »Aber Mrs. Fortnam wurde getötet. Hat man nicht ihre Leiche gefunden?«
Doug rieb sich die Stirn. »Man hat mehrere grausam zerstückelte Leichen gefunden«, sagte er und versuchte, das Bild zu vergessen, das ihm gleich wieder vor Augen stand. »Zudem bis zur völligen Unkenntlichkeit verkohlt. Niemand konnte sicher identifiziert werden. Aber wir gingen natürlich davon aus, dass Nora darunter war. Die Maroons machen keine Gefangenen.«
»Und was bringt Sie jetzt auf den Gedanken, dass es anders war?«, fragte Trelawny.
Doug erzählte es ihm.
»Dieser Akwasi hegt einen ungeheuren Hass auf mich«, endete er schließlich. »Wobei ich ihm nie wirklich Grund dazu gegeben habe, aber mein Vater … Nun ja, eigentlich ist es egal. Aber Akwasi wollte immer genau das, was ich wollte. Oder was ich hatte … So nahm er Nora …«
In Trelawnys weißem Gesicht stand leise Missbilligung. »Gestehen Sie mir da sozusagen eine Affäre zwischen Ihnen und Ihrer … hm … Stiefmutter?«
»Sozusagen«, bestätigte Doug. »Ich würde es eher Liebe nennen. Aber das hat ja wohl nichts zu tun mit dem aktuellen Problem. Was gedenken Sie nun also zu unternehmen, Exzellenz? Nora Fortnam hegte nie eine Affinität zu schwarzen Männern. Sie ist also ganz sicher nicht freiwillig in den Blue Mountains, sie wurde verschleppt, und sie wird gefangen gehalten. Seit nunmehr fünf Jahren. Wäre es nicht Zeit, sie zu befreien?«
Der Gouverneur kaute auf seiner Unterlippe und verschmierte dabei die sorgfältig aufgetragene rote Schminke.
»Das … äh … ist eine lange Zeit, Mr. Fortnam.«
Doug zwang sich zur Geduld. »Eine zu lange Zeit, Exzellenz. Und bitte versuchen Sie jetzt nicht anzudeuten, Nora hätte sich inzwischen vielleicht in ihren Peiniger verliebt. Das ist Unsinn. Sie ist … sehr treu …«
Trelawny lächelte fast etwas mitleidig. Doug war klar, dass es nicht sehr hilfreich wäre, jetzt auch noch einen Geist namens Simon Greenborough zu erwähnen …
Der Gouverneur räusperte sich. »Schauen Sie, Mr. Fortnam, Ihre Zuneigung und Ihr Vertrauen zu Ihrer … hm … Stiefmutter in allen Ehren. Aber ich muss in größeren Dimensionen denken. Ich denke, Sie wissen, dass wir vor dem Abschluss eines Vertragswerks stehen zwischen der Krone und den Windward Maroons. Es wird die Siedlung der Schwarzen anerkennen, ihren Handel mit unseren Städten legitimieren – und es wird Überfälle mit so tragischem Ausgang wie den Angriff auf Ihre Plantage für immer verhindern. Die Maroons werden entlaufene Sklaven zurückschicken … Sie sind bereit, sich zu verpflichten, Frieden zu halten. Und da soll ich nun, kurz vor der Unterzeichnung, Truppen hinschicken, um eine Frau zu befreien, die vielleicht gar nicht befreit werden will? Ich soll meine Verhandlungspartner der Entführung und Freiheitsberaubung verdächtigen?«
»Aber dessen haben sie sich nun mal schuldig gemacht!«, unterbrach ihn Doug scharf. »Sie wollen sie doch nicht im Nachhinein von jedem Verdacht auf Mord und Brandstiftung freischreiben!«
Trelawny hob wieder wie entschuldigend die Hände. »Ohne eine Amnestie wird es nicht abgehen, Mr. Fortnam. Sie sind doch ein vernünftiger Mann … Man muss die Toten ruhen lassen …«
»Aber Nora
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