Die Insel Der Tausend Quellen
seinerseits zwar nicht helfen wollte, allerdings die Namen einiger Soldaten kannte, die damals gegen Nanny Town gekämpft hatten.
»Die haben uns mühelos zurückgeschlagen«, erzählte Leisure, ein kräftiger, kampfgestählter Mann bei einem gut gefüllten Glas Rum in der Taverne neben Barefoots »Handelshaus«. »Keine Verluste bei denen, sehr wenige bei uns, man musste sich schon sehr dumm anstellen, um da in Schussweite rumzulaufen. Im Ernst, nicht mal unser Sergeant war so blöde, einen Sturm zu riskieren, nicht mit uns zweitausend Mann.«
»Zweitausend Mann?«, fragte Doug verblüfft.
Leisure nickte. »Aber um da reinzukommen, hätte es zehntausend gebraucht – oder mehr, letztlich hätte es davon abgehangen, wie viel Munition die hatten. Zwischen uns und dem Ort lag der Fluss, Mann, da hätten die Nigger Zielschießen üben können, während wir übersetzten. Danach eine freie Fläche. Nur ein paar Yards, aber da musste man erst mal rüberkommen, ohne getroffen zu werden. Und dann der steile Aufstieg. Kaum zu sichern auch, wir hätten von unten nach oben schießen müssen, und die Kerle hatten alle Deckung der Welt. Wenn sich das Dorf überhaupt einnehmen lässt, Mann, dann mit Riesenverlusten. Das wollte der Gouverneur zum Glück nicht. Sonst wär ich jetzt nicht hier.«
Doug orderte dem Mann einen weiteren Rum. Dann kam er langsam zu seinem Anliegen.
»Also, wenn ich da wen rausholen wollte«, schwadronierte Leisure nach dem dritten Drink. »Ich würd ’n Nigger reinschicken …«
Doug merkte auf.
»Einen Sklaven?«, fragte er. »Wie meinen Sie das?«
»Kann auch ’n freier sein, Hauptsache schwarz. Der braucht nur ’n bisschen inner Gegend rumzuirren, wie ’n flüchtiger Sklave eben. Die Nanny greift den auf. Sicher, da gibt’s kein Vertun. Na ja, und wenn er erst inner Stadt is, dann sucht er sich das Weibsbild und haut mit ihm ab. Ganz einfache Sache.«
»Bis auf die Wachen«, wandte Doug ein.
Leisure zuckte die Achseln. »Nachts sin alle Nigger grau«, sinnierte er. »Und die Mädchen gehen doch auch mal mit ’nem Kerl in die Büsche – oder sonst wohin. Das würd schon gehen. Für ’n Weißen seh ich schwarz.« Er kicherte ob seiner Wortspiele.
Barefoot schüttelte den Kopf.
Doug überlegte. »Die Idee ist gar nicht so schlecht«, meinte er dann. »Nur dass sich kaum ein Freiwilliger finden wird. Wer geht denn in die Berge und dann wieder zurück? Von den Sklaven garantiert keiner. Und einen freien Schwarzen ansprechen … Da ist mir das Risiko zu groß, dass er uns verpfeift. Aber man könnte es anders machen … Barefoot, alter Kumpel. Bei Ihnen im Haus ist doch alles verkäuflich, oder?«
Der Händler grinste. »Ich selbst koste ’nen dicken Aufpreis«, witzelte er.
Doug lächelte pflichtschuldigst. »Sie sind mir zu fett«, sagte er. »Aber Ihr Mädchen da drin … Wie sieht’s aus? Verkaufen Sie mir Ihre Sklavin?«
Die eingeschüchterte schwarze Sklavin in Barefoots Laden konnte ihr Glück kaum fassen.
»Sie mich kaufen frei? Ich in Berge?« Sie machte Anstalten, sich vor Doug auf den Boden zu werfen. »Sie doch schon gegeben Goldstück. Ich schon reich, bald mich kaufen selbst, ich …«
»Du kannst morgen in die Berge, Princess«, wiederholte Doug und fragte sich, wer dem Mädchen wohl diesen albernen Namen gegeben hatte. »Aber es ist nicht ganz umsonst. Du musst mir einen kleinen Gefallen tun.«
Princess blickte ihn etwas verwirrt an. Ihr musste durch den Kopf schießen, dass es am Hafen hübschere Mädchen gab als sie. Und wahrscheinlich auch auf Fortnams Plantage. Um eine Frau wie Princess zu besitzen, brauchte man sie nicht freizukaufen.
»Nicht das, was du denkst, Princess«, begütigte Doug. »Es geht um etwas anderes. Wenn du in die Blue Mountains gehst, werde ich dir folgen. Du wirst mich nicht bemerken, und die Maroons hoffentlich auch nicht, wenn sie dich aufgreifen. Aber ich werde da sein, und ich werde mich verstecken. Da ist eine Quelle, zwei Meilen flussabwärts von Nanny Town …« Zumindest hatte Leisure behauptet, er habe diesen Platz als Mitglied eines Erkundungstrupps entdeckt. Die Männer hatten den Fluss einige Meilen unterhalb Nanny Towns überquert und dann versucht, sich seitlich an den Ort heranzutasten. Das hatte allerdings nichts genützt, auch hier waren die Wege bewacht und obendrein zu schmal für eine Armee. »An der Quelle werde ich warten. Und du wirst in der Stadt eine Frau suchen. Eine Weiße namens Nora Fortnam. Und wenn sie …
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