Die Insel Der Tausend Quellen
schien den Dschungel und den Strand ihrer Insel fast wieder vor Augen zu haben, Elias Fortnams Erzählungen von Jamaika hatten die Erinnerung belebt.
»Ich würde Sie gern begleiten«, sagte sie ruhig.
Elias Fortnam schenkte ihr ein freundliches Lächeln.
»Also wirklich, Reed, so lebhaft wie an diesem Abend habe ich Ihre Nora ja seit Jahren nicht gesehen!« Lady Margaret war so aufgeregt und neugierig, dass sie Thomas Reed gleich am nächsten Tag in seinem Kontor besuchte. »Bahnt sich da womöglich etwas an? Wer ist dieser Fortnam?«
Thomas Reed runzelte die Stirn. »Ob sich etwas … hm … anbahnt? Ich bitte Sie, Margaret, der Mann könnte ihr Vater sein. Er hat zweifellos keinerlei Absichten in Bezug auf Nora.«
»Na, dafür hat er sie aber ganz interessiert angesehen!«, lachte die Lady. »Und das mit der charmanten Tischdame … das war doch ein Wink mit dem Zaunpfahl! Nein, wirklich, Thomas! Und das Alter … Natürlich passt es nicht hundertprozentig, aber Nora ist ja andererseits sehr reif. Ist der Mann denn … ungebunden?«
Reed zuckte die Schultern. »Soweit ich weiß, ist er seit Jahren Witwer. Hat einen Sohn, der in England studiert. Den will er wohl besuchen, oder weiß der Himmel, was er hier zu tun hat. Geschäftlich liegt nichts Besonderes an, seine Plantage ist groß, offensichtlich gut geführt, er macht ungeheure Gewinne …«
Lady Margaret lächelte. »Nun, das klingt doch alles vielversprechend! Natürlich, ich weiß, Sie hätten Ihre Nora gern in Ihrer Nähe. Am liebsten würden Sie ihr gleich hier in London ein Nest bauen. Aber sie ist ja wohl recht wählerisch, und wie’s scheint, hat sie den Traum von Übersee doch noch nicht ausgeträumt. Wobei das ganz schnell gehen kann, wenn sie erst dort ist. Hab ich schon mehrmals erlebt. Die jungen Mädchen heiraten in die Kolonien – die Pflanzer sind ganz scharf auf die Töchter der Viscounts und Baronets, die werden gern zusammen mit dem Titel und dem Parlamentssitz genommen. Zuerst schwärmen sie von den Blumen und Palmen und was nicht alles. Aber dann kommt die Regenzeit, und den jungen Dingern fällt die Decke auf den Kopf. Diese Farmen sind ja meist abgelegen, und sie sehen wochenlang nichts als schwarze Diener. Und schon fangen sie an, ihre Männer dahingehend zu bearbeiten, dass ein Landsitz in Essex doch auch etwas Nettes wäre – und ein Stadthaus in London.«
Thomas Reed rieb sich die Schläfe. »Und darauf würde sich ein Elias Fortnam dann womöglich einlassen?«
Lady Margaret hob eine Augenbraue. »Wenn Nora schön bittet. Das Geld dafür verdient er doch wohl allemal, und gegen England kann er auch nichts haben, wenn er den Sohn schon hier zur Schule schickt. Sie können da ja auch was machen! Schenken Sie den beiden das Stadthaus zur Hochzeit! Dann behält sie ein Standbein in England. Und wenn Sie noch ein bisschen weiterdenken … Der Mann ist viel älter als Nora. Sie wird ihn zweifellos überleben und hat dann die Chance auf eine zweite Ehe. Unbelastet von all diesen alten Skandalen und Schwärmereien und sicher hier in England.«
Thomas Reed biss sich auf die Lippen. »Ich muss darüber nachdenken, Lady Margaret. Das kommt alles … das kommt alles zu plötzlich. Und wir wissen ja noch in keinster Weise, was Nora darüber denkt.«
Die Lady nickte geduldig. »Es muss ja auch nicht heute entschieden werden. Warten wir erst mal meine Abendgesellschaft ab, danach ist ein Ball bei den Batterfields … Wir werden sehen, was sich ergibt. Nur fallen Sie nicht wieder aus allen Wolken, Reed, wenn ein Freier um Nora vor Ihrer Tür steht.«
KAPITEL 3
N ora ließ sich von Elias Fortnam zu der Abendgesellschaft der MacDougals begleiten und dann auch zu ein paar Tanzveranstaltungen. Sie war etwas befangen, als er sie zu ihrem ersten Tanz nach zwei Jahren führte, aber auch Fortnam waren die neuesten Schritte nicht bekannt, sodass sie dadurch nicht auffiel. Es machte sogar Spaß, sich wieder zur Musik zu bewegen, Nora genoss die bewundernden Blicke der Männer, die ihr folgten, als sie an Elias’ Seite durch den Saal schritt. Sie hatte sich wohl oder übel auch ein neues Ballkleid anmessen lassen müssen, und hier war es natürlich nicht möglich, auf dunkle Farben auszuweichen. Nora trug nun apfelgrüne Seide, und die Schneiderin hatte mit Schleifen und Spitzen nicht gespart.
Beim folgenden Bankett erwies sich Elias Fortnam erneut als höflicher und überaus interessanter Gesprächspartner – jedenfalls für ein Gegenüber,
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