Die Insel Der Tausend Quellen
Das gefällt mir.«
»Sie ist sehr viel jünger als Sie«, gab Reed zu bedenken.
Fortnam nickte. Er wirkte nicht beleidigt. »Das kann ich nicht bestreiten. Aber ich denke, darüber sollte Nora entscheiden. Es scheint, als möge sie reifere Männer. Sofern sie überhaupt Interesse zeigt. Mir gefällt auch ihre Zurückhaltung in diesen Dingen.«
Thomas Reed räusperte sich. »Das … war nicht immer so«, gab er dann widerwillig zu. »Wenn Sie wirklich um sie werben wollen, kann ich Ihnen nicht vorenthalten …«
»Dieser Skandal damals?« Fortnam machte eine wegwerfende Handbewegung. »Geschenkt, das trage ich ihr nicht nach.«
»Sie … wissen davon?«, fragte Reed verblüfft.
Fortnam lachte. »Mr. Reed, seitdem ich das zweite Mal in Noras Begleitung bei einer Abendveranstaltung auftauchte, wurde es mir jeweils mindestens dreimal unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut. In der Regel von einer völlig selbstlos um die Schicklichkeit besorgten Dame, die mir dann anschließend ihre von keinerlei Skandälchen befleckte Tochter vorstellen wollte oder deren Sohn eben versuchte, Nora zu einem Tanz zu bewegen. Ihre Tochter ist mit einem Schreiber aus Ihrem Kontor durchgegangen und drei Wochen weggeblieben. War’s nicht so?«
»Nicht ganz!«, sagte Reed indigniert. »Erzählen die Leute es wirklich so? Das hört sich ja an, als ob … Also, Mr. Fortnam, ich versichere Ihnen, dass meine Tochter keinerlei … hm … geschlechtliche Beziehung zu Lord Greenborough hegte. Sie hat für ihn geschwärmt – ich kann das bis heute nicht ›Liebe‹ nennen –, und unglücklicherweise ist er schwer erkrankt, was bei so einem jungen Ding dann ja auch den Drang auslöst, den Geliebten zu bemuttern. Tatsächlich hat Nora ihn bis zu seinem Tode gepflegt – unter nicht allzu glücklichen Umständen, wie ich leider sagen muss. Aber ihre Ehre ist dadurch in keinster Weise befleckt worden. Nora ist …« Reed verschluckte sich – er brachte das Wort »Jungfrau« oder »unberührt« nicht heraus.
»Und wenn sie’s nicht wäre, wär’s mir auch egal«, meinte Fortnam mit Gemütsruhe. »Ja, schauen Sie nicht so! Ich bin kein junger Spund mehr, meine Plantage wirft ausreichend Geld ab. Und ich hab’s nicht nötig, um Beziehungen zu buhlen, die einen unangekratzten Ruf über zehn Generationen voraussetzen, bei mir, meiner Frau und möglichst noch meinem Jagdhund. Und was die Leute in London reden, schert mich ohnehin nicht, ich lebe auf Jamaika. Da allerdings …«
»Ja?«, fragte Reed. Wollte Fortnam womöglich von einem eigenen Skandal berichten?
Fortnam zuckte die Schultern. »Nun ja, die Leute munkeln, wenn ein Mann allein auf einer Plantage mit einer Menge hübscher Sklavenmädchen lebt … Sie verstehen, was ich meine. Und in den letzten Jahren haben wir immer mehr Zuwanderer aus England, eine Gesellschaft formiert sich, es gibt Bälle, Jagden, Einladungen … Aber ohne eine Frau im Haus kann ich mich kaum revanchieren. Also wäre eine Heirat auf jeden Fall in meinem Sinne. Wobei Ihre Tochter ideal wäre, so schön und wohlerzogen wie sie ist.«
Reed nickte. »Ich trenne mich ungern von ihr«, gab er zu. »Aber letztendlich – ich möchte sie glücklich sehen, und hier ist sie das nicht mehr, seit … seit dieser unglückseligen Schwärmerei. Von den Kolonien hat sie übrigens schon immer geträumt. Wenn es das also ist, was sie will … Sofern sie Ihre Werbung annimmt, Fortnam, meinen Segen hat sie.«
Nora war überrascht, als Elias Fortnam wenige Tage später tatsächlich um ihre Hand anhielt. Die Umstände waren eher außergewöhnlich, sie waren wieder gemeinsam ausgeritten, und Fortnam machte sich nicht mal die Mühe abzusteigen. Im Gegenteil, er formulierte den Antrag fast im Plauderton, mit ganz ähnlichen Worten, die er auch ihrem Vater gegenüber gebraucht hatte. So sprach er von Neigung, nicht von Liebe, führte seine gesellschaftlichen Verpflichtungen an und Noras offensichtlichen Wunsch, in einer der Kolonien zu leben.
»Ich biete Ihnen ein schönes Haus, einigermaßen gut geschulte Dienstboten«, Elias Fortnam lächelte, »und einen zuvorkommenden Gatten, für den Sie hoffentlich die Zuneigung und Achtung entwickeln können, die ich Ihnen jetzt schon entgegenbringe.« Er verbeugte sich in Noras Richtung.
Nora wurde erst blass, dann rot. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, und äußerte schließlich den Gedanken, der ihr dummerweise zuerst durch den Kopf ging.
»Ich … ich würde mein Pferd
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