Die Insel Der Tausend Quellen
Blättern und ästen errichtet hatten, und ihren Versuch, einen Baumstamm zum Kanu auszuhöhlen.
Doug gebot Amigo, der auf den Weggang der schwarzen Stute mit enttäuschtem Brummen reagierte, Schweigen und lenkte das Pferd dann wieder auf den Strand. Aber die Lust an einem Galopp war ihm vergangen. Lieber wollte er jetzt zum Haus reiten. Vielleicht gelang es ihm ja tatsächlich, die junge Schönheit einzuholen und dann ganz unbefangen mit ihr zu plaudern.
Amigo schien dieser Idee einiges abgewinnen zu können. Der kleine Hengst trabte unternehmungslustig an.
Dieser Weihnachtstag war Akwasis einziger freier Tag im Jahr, und er nutzte ihn, wie er seit jenem Tag seiner Bestrafung jede freie Minute nutzte: Er folgte Nora Fortnam. Akwasi wusste, dass es verrückt und obendrein lebensgefährlich war, eine weiße Frau zu begehren, aber er konnte sich nicht bezähmen. Egal wie hart er arbeitete und wie erschöpft er war und egal wie oft er sich sagte, dass sie zu den verhassten Backras gehörte, die ihn versklavten – er träumte doch jede Nacht von ihr und konnte bei Tag keinen klaren Gedanken fassen, wenn er sie nicht sehen konnte. Am Morgen machte es ihn glücklich, sie bei der Untersuchung der Kranken kurz zu treffen – seit ein paar Wochen wagte er sogar, sie zu grüßen. Schließlich war Máanu immer bei ihr, und er hatte es irgendwann einmal einfach getan – dem üblichen »Hallo, Máanu« ein »Guten Morgen, Missis!« hinzugefügt. Der Aufseher hatte ihn daraufhin angefahren, aber die Missis schien sich darüber zu freuen. Auf jeden Fall hatte sie huldvoll »Grüß dich, Akwasi!« gesagt, und Akwasi war in einen Taumel von Glückseligkeit versunken, der ihn durch den ganzen, elend heißen Tag trug, den er mit dem Setzen von Zuckerrohrstecklingen verbrachte. Eine Arbeit, noch härter als die Ernte, denn dabei schuftete man in der prallen Sonne, während die langen Stängel des Zuckerrohrs beim Schlagen wenigstens Schatten gaben.
Máanu und die Missis lächelten seitdem stets beide zurück, wenn Akwasi sie grüßte, und Akwasi berauschte sich am süßen Klang von Noras Stimme. Die Missis schien auch nichts dagegen zu haben, wenn er abends zu den Frauen trat und seine Hilfe bei der Krankenpflege anbot. Mitunter wagte Akwasi zu hoffen, dass sie seine Zuneigung erwiderte. Den Backra konnte sie schließlich kaum lieben. Es war absolut undenkbar, dass ein so engelsgleiches Geschöpf irgendetwas für den Mann empfand, der Akwasi vierzehn Jahre zuvor in die Hölle geschickt hatte.
An diesem Weihnachtstag nun hatten die Götter ein besonderes Geschenk für den jungen Mann bereitgehalten. Dabei hatte er eigentlich befürchtet, Nora gar nicht sehen zu können. Die Fortnams gaben am Abend eine Gesellschaft, und natürlich überwachte die Missis die Vorbereitungen. Da die Feldsklaven freihatten – was die Haussklaven anging, so hatte man deren freien Tag erst mal bis auf weiteres aufgehoben –, kam sie auch am Morgen nicht ins Hüttendorf. Akwasi war deshalb zur Küche des Herrenhauses geschlendert. Vielleicht konnte er ja wenigstens hier einen Blick auf Nora werfen – und wenn nicht, so fiel vielleicht eine kleine Leckerei vom Tisch des Backras ab. Máanu verwöhnte Akwasi bereitwillig, wann immer sie die Möglichkeit dazu hatte, und auch diesmal legte sie lächelnd die Finger auf die Lippen und führte ihn aus dem Gewimmel in der Küche zum Bach. Dann förderte sie ein Stück Honigkuchen aus den Falten ihres Kleides hervor.
»Hier, lass es dir schmecken!«, lachte sie. »Es ist unglaublich süß, die Missis hatte das Rezept, und meine Mutter hat es heute zum ersten Mal gebacken. Man kommt nicht mehr davon los, wenn man es einmal gekostet hat …«
Für Akwasi traf das auf alles rund um Nora Fortnam zu, und das Gebäck genoss er nun besonders, da sie es wohl ebenfalls liebte.
»Wo … ist denn die Missis?«, fragte er dann beiläufig.
Máanu antwortete arglos. »Ach, die nimmt sich gerade noch eine freie Stunde. Solange der Backra die Weinvorräte kontrolliert und den Rum nachfüllt und die Zigarren bereitlegt, oder was denn die Aufgabe eines feinen Herrn ist vor einer Weihnachtsgesellschaft. Sie will ihr Pferd holen und reiten – allein, die Stallburschen haben ja frei. Satteln könnte sie selbst, meinte sie. Und ich trau’s ihr zu!«
Es gab kaum etwas, das Máanu ihrer vergötterten Herrin nicht zutraute. Sie hatte ihre anfänglichen Ressentiments längst aufgegeben.
»Wo reitet sie denn hin, so allein?«,
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