Die Insel Der Tausend Quellen
fragte Akwasi, obwohl er sich die Antwort denken konnte.
Er hatte Nora nie zum Strand begleiten können – es war unmöglich, der Arbeitskolonne zu entfliehen –, aber er wusste, dass sie dorthin Wanderungen unternahm. Wobei es ihr wohl nicht um das Wandern ging, sondern eher um Strand und Meer, sonst ging sie schließlich nie spazieren, sondern ritt in der Begleitung eines Knechtes aus. Nun nutzte sie zweifellos die Gunst der Stunde, um ihren Lieblingsplatz aufzusuchen, bevor die Gäste kamen. Und Akwasi würde endlich die Chance haben, zu sehen, was sie dort tat!
Der junge Sklave trabte also zum Strand, natürlich sorglich darauf bedacht, nicht gesehen zu werden. Die Aufseher würden eher an den Grenzen der Plantage patrouillieren als am Meer, wenn sie sich überhaupt die Mühe machten. Jetzt, zur Zeit der Ernte, waren die Sklaven todmüde, keiner brachte die Kraft auf, Fluchtpläne zu schmieden, zumal das Risiko schon ohne patrouillierende Aufseher groß war. Schließlich besuchten sich die Backras in diesen Tagen ständig gegenseitig, man konnte leicht mit Lord Hollister oder einem anderen Nachbarn zusammenstoßen. Aber Akwasi mochte auch kein Opfer eines Zufalls werden – zumal er sich kaum noch an den Weg zum Strand erinnerte. Dabei war er ihn damals mit Doug fast täglich gegangen … Akwasi gestattete sich ein paar freundliche Gedanken an ihre Spiele und Abenteuer in der Bucht.
Und dann entdeckte er die Stute Aurora und erkletterte behände eine Palme in der Nähe. Der junge Sklave brannte vor Verlangen, als er sah, wie seine Herrin aus Kleid und Unterzeug schlüpfte, ihr Haar löste und dann unbefangen nackt ins Meer tauchte. Mit so etwas hätte er nicht gerechnet – das war eher Máanu zuzutrauen. Aber nun schwamm die weiße Frau tatsächlich bis mitten in die Bucht, ließ sich dort treiben und spielte mit den Wellen wie … nun, wie eine ganz normale Frau. Akwasi hatte den jungen Sklavinnen oft dabei zugesehen. Heimlich natürlich – oder zumindest scheinbar unbemerkt. Denn selbstverständlich hatten die Sklavenmädchen gekichert und die gleichaltrigen Jungen gelockt. Ob Nora das hier vielleicht auch nur tat, um Akwasi zu erfreuen? Ob ihre Vorstellung ihm galt, ob sie sich genauso nach ihm verzehrte wie er sich nach ihr? Akwasi beobachtete seine Herrin beim Trocknen ihres Haares, und er verlor sich in der Vorstellung, sie könnte ihn in die Arme nehmen, wenn er nur seine Deckung verließ.
Nach dem Bad hatte Nora es offensichtlich eilig. Geschickt erstieg sie ihr Pferd. Sie brauchte keine Hilfe, um sich in den Damensattel zu schwingen. Dann ließ sie es gleich in Richtung Plantage antraben. Akwasi folgte ihr langsam und immer etwas im Schatten der Bäume. An diesem Tag würde er sicher nichts mehr von ihr zu sehen bekommen, und am kommenden Morgen musste sie wahrscheinlich die Übernachtungsgäste unterhalten. Máanu würde allein zu den Sklavenquartieren kommen. Akwasi seufzte. Es war immer lästig, wenn Máanu allein kam. Das Mädchen erschien dann zuverlässig früher und besuchte ihn in seiner Hütte. Die Leckerbissen, die sie mitbrachte, waren dort natürlich willkommen, aber sonst schienen die Jungs, mit denen Akwasi das Quartier teilte, die Sache gründlich misszuverstehen. Sie räumten stets schnell und unter fadenscheinigen Ausflüchten die Hütte, wobei sie Akwasi zugrinsten oder Zoten zuraunten. Und er musste dann sehen, wie er die Zeit bis zum Arbeitsbeginn mit Plaudereien überbrückte, während Máanu alles tat, um sich möglichst aufreizend in Szene zu setzen. Sie war ganz klar hinter ihm her – aber er konnte sie nicht schroff abweisen. Schließlich war sie der einzige Grund, gelegentlich beim Haus aufzutauchen, ohne dass die Missis misstrauisch wurde.
Akwasi wanderte gedankenverloren in Richtung Plantage, als er hinter sich Hufschläge hörte. Alarmiert schlug sich der Sklave ins Buschwerk. Eine Kontrolle? Hatte einer der Aufseher Lunte gerochen? Hatte es einen Appell gegeben, und er wurde vermisst?
Doug Fortnam hätte den Mann im Unterholz wahrscheinlich gar nicht bemerkt – auch er war schließlich mit sich selbst beschäftigt, hin und her gerissen zwischen der angenehmen Erinnerung an die Frau am Meer und zunehmender Unruhe vor der Begegnung mit seinem Vater. Amigo jedoch sah den Schwarzen und scheute. Doug hatte das in Kingston bereits gemerkt: Der kleine Hengst war nicht an dunkelhäutige Menschen gewöhnt. Wahrscheinlich war er erst kurz zuvor aus Spanien gekommen. Doug
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