Die Insel der Verdammten
Neben Papageien wimmelte es im Dickicht von anderen Vögeln, darunter so ungewöhnlichen, daß ich mich nicht genug wundern konnte, als ich sie zum erstenmal erblickte. Sie waren etwas größer als unsere Tauben, und ihre auffallenden Schnäbel machten etwa drei Viertel ihres Körpers aus. 4 Als sie von Ort zu Ort flogen, konnte man annehmen, es seien fliegende Schnäbel, denen Vogelleiber angehängt waren. Der Anblick dieser in unseren heimatlichen Gegenden unbekannten Wunder führte mir noch einmal die Fremdheit der hiesigen Welt so recht vor Augen.
Bei alledem verlor ich nicht das Gefühl für die Wirklichkeit.
Hoho! dachte ich, wieviel Nahrung fliegt doch hier in der Luft umher! Ach, hätte ich nur eine brauchbare Schußwaffe! Ich würde mir so manchen schmackhaften Bissen verschaffen ...
Plötzlich scheuchte ich aus dem Gebüsch einen großen der Hühnergattung angehörenden schwarzen Vogel auf, der sich nicht in die Luft schwang, sondern mit flinken Beinen am Boden entfloh. Ja, ohne Schußwaffe war ich hier — trotz der verschwenderischen Fülle der Natur — machtlos wie ein Kind.
Ich schlug mich weiter durch das Dickicht und gelangte an den Fuß des Berges, von dessen Gipfel ich am Vortage die Insel betrachtet hatte. Hier zog sich eine kleine, nur hier und da mit Grasbüscheln bestandene sandige Lichtung hin. Während ich mich durch die letzten Sträucher hindurchwand, beobachtete ich auf der Lichtung eine panikartige Bewegung. Einige große Eidechsen, die sich anscheinend an der Sonne gewärmt hatten, stoben jetzt, durch mein Kommen verängstigt, nach allen Richtungen auseinander. Eine von ihnen, ein recht ansehnliches Exemplar, länger wohl als mein Arm, blieb in einer Entfernung von zwanzig Schritt liegen und beobachtete mit ihren kleinen Äuglein den unbekannten Feind. Langsam hob ich meinen Knüppel und warf ihn nach dem Reptil. Der Stock pfiff wie ein Pfeil in der Luft, jedoch die Eidechse war noch schneller. Bevor das Wurfgeschoß niederfiel, war sie in ein Loch entschlüpft und verschwunden.
Es lebte hier eine ganze Kolonie dieser Reptile. Da und dort konnte man im Erdboden ihre Löcher sehen, ähnlich denjenigen der Kaninchen, nur etwas kleiner. Ich erinnerte mich an die Indianer von Nordamerika, für die Eidechsen eine Delikatesse bedeuten. Wie, wenn ich es ihnen nachahmte und Eidechsenfleisch zu essen versuchte? Auf der Lichtung stehend, dachte ich darüber nach, wie die verlockenden Tiere einzufangen seien. Vielleicht sollte ich sie ausgraben? Aber womit? Die Löcher konnten sehr tief sein.
Da ließ ich meine Gedanken noch weiter zurückwandern, in meine Knabenjahre, als ich im heimatlichen Tal in Virginia mit meinen Altersgenossen Jagden auf Kleinwild unternahm. Aus Bindfäden fertigten wir Schlingen und legten sie auf die Fährten des Wildes oder vor die Löcher.
„Oh schöne, alte Zeit!” rief ich schmerzerfüllt, als die teuren Bilder einer fernen Vergangenheit vor meinen Augen auftauchten. Diese Erinnerungen ließen mich das Elend meiner gegenwärtigen Lage und meiner Einsamkeit um so schmerzlicher fühlen.
Ich schnitt lange Enden Schlingpflanzen ab, deren Stengel geschmeidig wie Bindfäden waren, machte auf altgewohnte Weise einige Schlingen daraus und befestigte sie vor den Löchern der Eidechsen. Während dieser Vorbereitungen ging dichter Regen nieder; doch nach einer Weile schien wieder die Sonne. Eine Stunde lang lag ich in der Nähe auf der Lauer. Leider steckte nicht eine einzige Eidechse ihren Kopf heraus. Als die Sonne sich bereits stark nach Westen neigte, gab ich die Hoffnung auf, noch etwas zu erlegen, und beschloß, am folgenden Tage wiederzukommen.
Schwerfällig schleppte ich mich zu meinem Baum. Ich fühlte mich elend, hatte Schwindelanfälle. In den Schläfen bohrte ein ständig zunehmender Schmerz, und Schauer überliefen meinen Körper. Unheimlich schnell, von Minute zu Minute, ließen meine Kräfte nach. Zu all den Ereignissen der letzten Tage hatte sich nun noch irgendeine Krankheit gesellt.
Nur mit Mühe konnte ich den Baum erklettern und mich mit Lianen festbinden. Die mitgebrachten Nüsse rührte ich nicht an. Mir war zum Erbrechen übel.
Das Leben fordert seine Rechte
E s war eine schaurige Nacht. Ich schlief nur wenig. Schreckliche, phantastische Träume suchten mich heim. Mir schien, ich stürze in einen Abgrund, und sicherlich wäre ich auch vom Baum gefallen, wenn mich die Lianen nicht festgehalten hätten. Im Fieber sah ich mich in Gestalt einer
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