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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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sollte.
    „Wer hat sich noch gerettet?" drängte ich.
    „ Er", flüsterte der Indianer unschlüssig. „Aber. .
    Von neuem eine Pause.
    „ Aber was?"
    „Aber... er lebt nicht mehr.”
    Ich erriet, daß er den Kapitän meinte. Um den jungen Indianer nicht scheu zu machen, vermied ich es, über die heikle Angelegenheit mit ihm zu sprechen. Ich wollte sie später einmal klären.
    Zunächst war mir eine andere Frage wichtiger:
    „Und wer hat sich noch gerettet?"
    „Niemand, Herr."
    „Gibt es Eingeborene auf der Insel?"
    „Nein, Herr."
    „Bist du sicher, daß dies eine menschenleere Insel ist?"
    „Ja, Herr."
    Das waren erfreuliche Nachrichten. Ich bezweifelte nicht, daß sie stimmten, da ich bereits selbst zu dem gleichen Schluß gekommen war. Es tat mir leid um den braven William, dagegen bedauerte ich in keiner Weise den Tod der übrigen Mannschaft. Diese Bande abgefeimter Strolche wurde auf dem Schiff durch die brutale Faust des Kapitäns in Schach gehalten; an Land dagegen hätten sie sicherlich die gemeinsten Verbrechen begehen können. Auf der menschenleeren Insel wäre das Zusammenleben mit ihnen unmöglich gewesen.
    Wie würde es jedoch mit den beiden jungen Indianern sein? Ich hatte keine Ahnung, wie sie in Wirklichkeit waren. Jahrelang hatten sie in der Gefangenschaft unmenschliche Qualen ertragen und waren unter einem niederträchtigen Herrn verwildert. Solche Verhältnisse verdarben den Charakter, und man durfte sicherlich nicht viel Gutes von den beiden erwarten. Die Eigenschaften, die den Rothäuten von den Kolonisten zugeschrieben wurden, wie Hinterlist, Durchtriebenheit, Tücke und Blutgier, waren bei den beiden unterdrückten Jungen sicherlich besonders stark entwickelt.
    Meine Meinung über die Indianer im allgemeinen stand fest. Aus meiner frühesten Jugend entsann ich mich genau der Erzählungen über erbitterte Kämpfe mit den roten Kriegern. Obwohl die Indianer in Virginia schon längst ausgerottet waren, erhielten wir doch ständig Schreckensnachrichten aus den entfernter gelegenen westlichen Grenzbezirken.
    Meine Familie hatte zahlreiche blutige Episoden der Indianerkriege miterlebt. Mein Urgroßvater, der genauso hieß wie ich, Jan Bober, entrann einige Jahre nach seinem Eintreffen auf amerikanischem Boden nur ganz zufällig dem Tode, als die Indianer unverhofft alle englischen Siedlungen überfielen und die Mehrzahl ihrer Bewohner niedermachten, Mein Vater, Tomasz Bober, gehörte als kaum zwanzigjähriger Jüngling zu den Freiwilligen des berühmten Bacon, der das ganze Tal des Susquehanna-Flusses von den Indianerstämmen säuberte. — Ich erinnerte mich noch an die ergreifende Schilderung meines Vaters, wie die Wilden die Familie eines englischen Pioniers überfielen, der sich allzufern in den Wäldern, abseits von seinen Landsleuten, niedergelassen hatte. In den folgenden Tagen wurde an den Indianern unbarmherzig Vergeltung geübt. Der Trupp der Rächer, unter denen sich auch mein Vater befand, ruhte nicht eher, als bis alle Rothäute im Umkreis von einigen Dutzend Meilen ausgerottet waren. Selbst die Säuglinge wurden nicht verschont. Ich hörte diese Erzählung zum erstenmal, als ich einige Jahre zählte. Sie machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich und flößte mir dauernde Abneigung gegen die Indianer ein. „Warum wolltest du mich töten?" fragte ich Arnak. Der Junge begriff die Bedeutung meiner Worte nicht und sah mich fragend an.
    „Dort, am Südrand, hast du vor einigen Tagen auf mich geschossen", erläuterte ich ihm.
    „Nicht ich", antwortete er leise. „Wagura."
    „Warum schoß er?"
    „Weil du ein Weißer bist, Herr."
    Das ist also der Dank, dachte ich bitter. Dafür, daß ich auf dem Schiff Mitleid mit dem Indianer hatte — ein mörderischer Pfeil aus dem Hinterhalt. Ist das ein ausreichender Grund, mich zu töten, weil ich ein Weißer bin? Sind denn alle Weißen gleich? Sind alle so wie jener bestialische Kapitän?
    Aber nach einer Weile kam mir ein anderer, vernünftigerer Gedanke: Vielleicht hat man diese Jungen so weit gebracht, daß sie einen Weißen vom andern nicht zu unterscheiden vermögen und alle für ausgemachte Bösewichte halten?
    Als erriete Arnak meine Gedanken, murmelte er rechtfertigend: „Wagura ist jung . . . heißblütig. . ."
    Ich sann weiter über diese Frage nach: Auf dem Schiff hatte ich versucht, das Los des jungen Indianers zu erleichtern. War es jedoch nur die Liebe zum Nächsten gewesen, die mein Handeln bestimmte? Nein. Mich

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