Die Insel der Verdammten
ins Auge und ging auf die beiden zu.
„Herr!" rief Arnak rasch. „Bitte, komm nicht näher!"
Sie hielten die Bogen gespannt, obwohl die Pfeile zur Erde gerichtet waren.
Ohne ihre Worte und die Bogen zu beachten, schritt ich vorwärts. Sie wichen zurück, vermieden einen Zusammenstoß.
„Was ist euch eingefallen? Sprecht, zum Teufel!" befahl ich barsch.
„Wir wollen keine Sklaven werden!" erklärte Arnak.
„Ihr werdet es nicht sein! Niemand wird euch zu Sklaven machen!"
„Du irrst dich, Herr! Das sind böse Menschen!" Er wies mit den Augen auf das Schiff. „Sie werden uns in die Sklaverei verschleppen."
„Bist du dessen so gewiß?”
„Ja, Herr. Das ist sicherlich ein spanisches Schiff."
„Und wenn es ein anderes wäre? Ein englisches oder holländisches?"
Arnak sprach kein Wort, schüttelte nur traurig den Kopf zum Zeichen, daß dies ein und dasselbe sei.
Der Junge hatte recht, er besaß einen guten Orientierungssinn. Seine Lebenserfahrung hatte ihn nicht betrogen. Hierher, in die reichen Gewässer des Karibischen Meeres, schickten alle seefahrenden europäischen Nationen ihre dunkelsten Kreaturen. Piraten sowie Menschen mit Piratencharakter und sitten machten hier Geschichte, indem sie für ihre Staaten Inseln eroberten. Hier tobte dauernd ein schurkischer Krieg jedes gegen jeden, um dem andern die Beute zu entreißen, die sich dieser schon durch das Faustrecht angeeignet hatte. Dagegen verfolgten sie alle einmütig die indianische Bevölkerung, die sie überall als Vieh betrachteten, das beraubt, ausgerottet oder in die Gefangenschaft verschleppt zu werden verdiente. Davon hatte mir der Matrose William des öfteren erzählt, auch von Streichen unserer englischen Landsleute, die einem das Blut erstarren ließen.
Von plötzlicher Freude darüber berauscht, zum erstenmal nach vielen Monaten ein Zeichen aus der zivilisierten Welt zu erblicken, hatte ich nicht überlegt, ob dieses Zeichen Gutes oder Böses ankündigte. Meinen Kameraden verhieß es zweifellos Böses — und hatte es für mich mit Sicherheit Gutes im Gefolge? Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß es ein spanisches Schiff war. Fiel ich aber in die Hände der Spanier, welch kümmerliches Los harrte dann meiner, selbst wenn es mir gelänge, meine Zugehörigkeit zum Kaperschiff zu verheimlichen?
Engländer und Spanier rivalisierten in diesen Gewässern bekanntlich seit Generationen miteinander und begegneten sich mit glühendem Haß.
„ Gut! Wir machen kein Feuer!" beschloß ich zur unverhohlenen Freude meiner Gefährten und warf die noch glimmenden Feuerreste mit dem Fuß auseinander.
Als wir den Berg hinabstiegen, dachte ich über die merkwürdige Entschlossenheit, ja Unbeugsamkeit der Jungen nach. War sie das Ergebnis einer außergewöhnlich harten Schule des Lebens?
Nachdem wir so viele Wochen einmütig miteinander verbracht hatten, war das der erste Mißklang, ein ausgesprochen unfreundlicher Zusammenstoß. Dabei hätte man die Angelegenheit doch anders anfassen und sie ebensogut beilegen können, ohne zur Gewalt zu greifen. Noch bevor wir bei unserer Hütte anlangten, schüttete ich ihnen mein Herz aus:
„Das war nicht recht von euch. Handeln Freunde so?"
Sie sahen mich verlegen an.
„Wenn ihr etwas auf dem Herzen habt", sagte ich, „so kommt zu mir und sprecht euch aus, aufrichtig, auf Freundesart."
Dann fügte ich vorwurfsvoll hinzu:
„Und die Bogen bewahrt für Feinde!"
Arnaks braunes Gesicht wurde über und über rot, Wagura seufzte.
„Jawohl, Herr!" sagte Arnak.
„Jawohl, Herr!" wiederholte wie ein Echo sein Kamerad. Bis zum späten Abend verfolgten wir das Schiff mit den Augen. Es segelte zweifellos zur Insel im Norden. Sollte es also doch Margarita sein? Die Indianer hegten dieserhalb keinerlei Zweifel. Angst erfüllte sie beim bloßen Gedanken an diese Insel: die Insel der bösen Menschen, der schändlichen Perlenfischer und Indianerfänger. .
Am Tage darauf war von dem Schiff nichts mehr zu sehen. Leer rauschte wieder das Meer, seine Wellen schlugen gegen unsere Insel.
Der Kampf mit dem Jaguar
D as Auftauchen eines Schiffes in unseren Gewässern hatte auch seine gute Seite. Ich wurde mir darüber klar, daß wir von diesen Seefahrern keine Hilfe erwarten durften. Sie konnten uns nur ein unsicheres und trauriges Schicksal bereiten — und so erwies sich der ursprüngliche Plan, mit eigenen Kräften ans Festland zu gelangen, als der geeignetste.
Mit Eifer und Fleiß gingen wir ans Werk. Es handelte
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