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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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wenn wir ihn zufälligerweise geweckt hätten."
    Ich betrachtete unsere Spieße und Bogen. Sie waren im Kampf gegen eine so mächtige Bestie wie den Jaguar doch unzulängliche Waffen, obwohl wir sie aus bestem Holz herstellten.
    Nach einigen Stunden näherten wir uns der bekannten Gegend im Bereich unserer Höhle. Ich bog mehrere Schritte vom Wege ab, um an die Stelle zu gelangen, wo der Kapitän begraben lag. Arnak ging schweigend hinter mir her. Das Grab fand ich nicht. Der Regen hatte die Erde geebnet und alle Spuren verwischt.
    „Hier liegt er irgendwo begraben", sagte ich zu dem Indianer und beobachtete von der Seite seinen Gesichtsausdruck. Er wußte, von wem ich sprach, denn er fragte nicht, wer da begraben liege. Er zeigte keinerlei Unruhe und Verwirrung. „Habt ihr lange mit ihm gekämpft?" fragte ich unverhofft. „Nein, Herr", antwortete er ruhig und schaute mir dabei in die Augen.
    Zum erstenmal bewunderte ich seine mutige Wahrhaftigkeit. „Wann habt ihr ihn überfallen?" fragte ich. „Gleich als er aus dem Wasser kam?"
    „Nein."
    „Sage mir, wie das vor sich ging."
    Seine Erzählung war einfach und erschütternd:
    Die Wellen hatten Arnak von dem untergehenden Schiff gerissen. Mit dem letzten Rest seiner Kräfte hielt er sich an der Oberfläche des Wassers, schwamm trotz des Sturmes bis zur Insel und legte sich in den Sand. Nach einer längeren Weile hörte er Schritte. Es war Wagura, den die Wellen ebenfalls unweit ans Land gespült hatten. Zusammen schleppten sie sich weiter. Am Rande des Dickichts hörten sie merkwürdiges Knacken von Zweigen. Als sie näher traten, fanden sie sich Auge in Auge mit dem Kapitän, der an der Erde lag. Er war bei Bewußtsein, konnte sich aber nur mit Mühe bewegen;
    anscheinend hatte er sich eine Sehnenzerrung am Bein zugezogen. Als er die Indianer erblickte, fuhr er hoch, stützte sich auf den Ellenbogen und griff nach der Pistole. Da er sah, daß sie im Begriff waren zu fliehen, schrie er mit heiserer Stimme, wie er es auf dem Schiff gewohnt gewesen: „Arnak, zu mir, ihr Hunde!"
    Die Jungen flohen. Nachdem sie sich vom Schreck erholt hatten, wurden sie sich bewußt, daß sie ihn töten müßten. Sie ahnten damals noch nicht, daß sie sich auf einer Insel befanden und daß es für sie, um leben zu können, unerläßlich war, ihn umzubringen. Rasch bewaffneten sie sich im Gebüsch mit zwei Stöcken und kehrten zum Kapitän zurück. Sie fanden ihn im Sande liegend. Wohl aus Furcht vor Überraschungen hatte er sich aus dem Dickicht an den Strand geschleppt.
    Ohne lange zu überlegen, liefen sie auf ihn zu. Er stand auf. In der linken Hand hatte er die Pistole, in der rechten einen dicken Knüppel. Er wollte schießen, legte auf Arnak an, es kam jedoch kein Schuß. Er hob den Knüppel. Da streckte ihn Arnak mit einem furchtbaren Hieb über den Kopf zu Boden, während Wagura ihm den Knüppel aus der Hand schlug. Als sie sahen, daß er nicht mehr lebte, flohen sie nach der Südseite der Insel, denn sie fürchteten, andere Piraten könnten ebenfalls wie der Kapitän und sie selbst mit dem Leben davongekommen sein.
    Arnak beendete seine Erzählung. Er sah mich durchdringend an und machte gar keinen schuldbewußten Eindruck. Nach einer Weile fragte er mich mit einer Stimme, in der ein trotziger, fast herausfordernder Ton mitklang:
    „Wunderst du dich, daß wir ihn totschlugen?"
    Ich war über die vom Bewußtsein eigener Würde erfüllte Haltung des zwanzigjährigen Indianers erstaunt und überdachte in Gedanken alles, was ich mit ihm durchlebt hatte. Wie gründlich löschte doch dieser Jüngling meine bisherigen Begriffe von den Rothäuten aus, überlieferte, schmutzige, oberflächliche und - wie peinlich, es mir eingestehen zu müssen - völlig falsche Begriffe! Und ich war so einfältig, aus ihm einen zweiten Freitag für mich machen zu wollen, irgendeinen gefügigen Engel in Gestalt eines Wilden, dessen einziges Lebensglück es sein sollte, seinem weißen Herrn
    als treuer Sklave dienen zu können! 0 lächerlicher, dummer Jan!
    Da ich schwieg, während Arnak auf Antwort wartete, stellte er mir eine neue Frage:
    „Und du, Herr, würdest du an unserer Stelle nicht ebenso gehandelt haben?"
    „Gewiß", brummte ich.
    Denn ich hatte es noch nicht vergessen, daß ich mich auf dem Kaperschiff selbst mit der Absicht trug, den Kapitän während des Sturmes zu töten, da ich das als einen notwendigen Akt der Selbstverteidigung betrachtete.
    Der Mais auf dem Felde war bereits

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