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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Bühne abreißen?»
    «Weil es vorbei ist», sagte Peter.
    «Was denn?» Rhonda hoffte, dass er die Sache zwischen ihm und Tack meinte. Vielleicht waren Tack und Lizzy doch heimlich ineinander verliebt. Wie Tack jetzt da oben auf der Bühne Lizzy umschlungen hielt und ihr etwas ins Ohr flüsterte, sahen sie wirklich wie ein Liebespaar aus. Rhonda schämte sich fast für die beiden. Aber eifersüchtig war sie gleichzeitig auch. Was immer das war, was zwischen den beiden lief, Rhonda gehörte nicht dazu, und bis dahin hatte sie immer dazugehört, wenn Lizzy etwas machte.
    «Vertraust du mir, Ronnie?», fragte Peter.
    Sie nickte.
    «Dann hilf mir dabei.» Er streckte ihr die Hand hin, und Rhonda kam zu ihm auf die Bühne. Gemeinsam packten sie das Tuch mit dem Bühnenbild des Darling-Kinderzimmers und rissen es herunter. Dahinter hingen das blaue Wasser und die Palmen von Nimmerland.
    «Aber Peter   …», begann Rhonda.
    «Wir brauchen noch Werkzeug», sagte Peter, sprang von der Bühne und eilte nach hinten zu dem Kasten, in dem sie ein paar einfache Werkzeuge aufbewahrten. Er kehrte mit einem Brecheisen und einer Säge zurück.
    «Es ist Zeit», flüsterte Tack und zog Lizzy hoch. Lizzy griff nach dem Hammer, den Peter in der Hand gehabt hatte, und begann, auf die Bretter des Bühnenbodens einzuschlagen,zunächst vorsichtig, dann aber mit ihrer ganzen Kraft. Tack nahm das Brecheisen und riss die Bretter heraus, deren rostige Nägel quietschten.
    Peter sägte an den Trägerbalken der Bühnenwand, an der die Bühnenbilder gehangen hatten. «Es ist vorbei», sagte er mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem gewandt. Lizzy ließ den Hammer fallen und begann zu weinen.
    «Lizzy?», fragte Rhonda, ging zu ihrer Freundin und legte ihr die Hand auf die Schulter. «Was ist passiert, Lizzy?»
    «Lass sie in Ruhe», warnte Tack, die sich smit dem Brecheisen in der Hand näherte.
    Rhonda wich zurück.
    «Ronnie, ich brauche dich hier», rief Peter. Er drückte gegen die linke Seite der Bühnenwand und brachte sie zum Schwanken. «Nimm dir die andere Seite vor.»
    Rhonda gehorchte, legte die Hände um den Balken und stellte sich vor, es wäre Tacks Hals.
    «Keiner muss es jemals erfahren», flüsterte Tack Lizzy zu.
    Was erfahren?,
schrie Rhonda innerlich auf.
Was hast du mit meiner besten Freundin angestellt?
    «Zieh!», schrie Peter.
    Die Wand rührte sich nicht. Rhonda sprang hoch, ergriff das Brett, dass zusammen mit den Trägerbalken einen Rahmen bildete, und ließ sich vor dem Bühnenbild von Nimmerland herabhängen: vor dem blauen Wasser und dem sogar noch blaueren Himmel und den Gestaden ihrer Insel.
    Manchmal frage ich mich, ob ich jemals wirklich geflogen bin   …
    Sie dachte an Lizzy, die sich an die Stange in ihrem Wandschrankhängte, um größer zu werden. Sie hörte gerade noch das Dröhnen der Lautsprecher aus dem hellerleuchteten Chaos des Gartens:
Brown-eyed Girl
wurde gespielt.
Do you remember when we used to sing
  …, seufzte Van Morrison.
    Etwas krachte, und die Wand brach entzwei, kippte und riss Peter und Rhonda zusammen mit einem Haufen Bretter und dem gemalten Bühnenbild zu Boden. In Rhondas Stirn war ein stechender Schmerz, als wollte alles in ihrem Kopf wieder einen Weg nach draußen finden – all die Erinnerungen an Lizzy und Peter und alles Mögliche, was sie gelernt hatte, die Texte ihrer Stücke zum Beispiel oder die Form der Knöpfe an einer Südstaatleruniform. Sie schloss die Augen. Sie ließ sich von den Gestaden Nimmerlands bedecken und umfangen, die drohten, sie nie wieder loszulassen.

s?
    17.   Juni 2006
    Pat wog das Brecheisen in der Hand und ließ es dann lässig auf ihrer Schulter ruhen. «Er sollte sie einfach nur in den Wald bringen. Sie dort aussetzen. Sie wäre an Ort und Stelle geblieben, und wir hätten sie ein paar Stunden später gefunden.»
    Rhonda nickte, trat einen Schritt zurück und stieß gegen den großen Stahlschreibtisch. «Wer?», fragte sie. «Wen?»
    «Natürlich die kleine Ernie. Ich hätte sie gefunden. Alles war vorbereitet.»
    Das ergab auf eine schreckliche Weise Sinn. Pats Schuldgefühle wegen des Todes ihrer kleinen Schwester. Die sich Jahre später bietende Gelegenheit, die Scharte auszuwetzen. Zur Heldin zu werden. Selbst wenn sie dazu eine Entführung vortäuschen musste. Sie hätte ihre fünfzehn Minuten Ruhm bekommen. Der Fleck wäre von ihrem Namen getilgt gewesen. Tatsächlich hätte sogar die ganze Stadt davon profitiert. Von einem Medienrummel

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