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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Wand nach einem Lichtschalter ab. Rechts neben der Tür fand sie vier Schalter, die alle nach unten gelegt waren. Mit dem Zeigefinger kippte sie sie hoch und drehte sich um.
    Rhondas Herz hämmerte laut. Sie ließ den Granit fallen, der beim Aufprall auf den Betonboden zersprang, sodass PAT HERBERT von der Aufschrift TANKSTELLENBESITZERIN UND GESCHÄFTSFÜHRERIN abbrach.
    Dort auf dem hintersten Platz stand Warrens Wagen.Der Hase war auf dem Fahrersitz festgeschnallt. Der Motor lief, und ein Schlauch führte vom Auspufftopf zu einem Fenster, das einen Spaltbreit geöffnet war.
    «Verdammt!» Rhonda stürzte eilig zu dem Wagen. Sie zog den Schlauch vom Auspuff und ging zur Fahrerseite. Die war verschlossen. «Scheiße.»
    Auf der Werkbank fand sie einen kleinen Holzhammer. Zwei Schläge, und auf der Beifahrerseite war das Seitenfenster zerschmettert. Sie griff hindurch, betätigte die Türentriegelung und machte dann auf der Fahrerseite die Tür auf. Der Hase ruhte im Sitz, und die Rückenlehne war so weit nach hinten gekippt worden, dass es aussah, als mache er ein kleines Nickerchen. Rhonda beugte sich über ihn, stellte den Motor aus und öffnete den Sitzgurt.
    Warren war schwer. Wie ein Toter.
Nein
, dachte sie,
nicht tot. Er kann nicht tot sein. Und er kann kein Mörder sein.
    Sie zerrte ihn aus dem Wagen und legte ihn auf den Betonboden der Garage.
    Luft. Sie musste für frische Luft sorgen. Rhonda öffnete die Verriegelung des linken Werkstatttors und riss es nach oben auf. Nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte, hockte sie sich neben den Hasen. Mit zwei Händen zog sie ihm die Maske ganz langsam und vorsichtig vom Kopf.
    Sie schluchzte auf, nahm ihr Handy aus der Hosentasche und wählte den Notruf.
    Während Rhonda auf den Krankenwagen wartete, dachte sie an Ella Starkee – dass das Mädchen den Magic Man und sein Auto am Tag ihrer Rettung hatte beschreiben können und dass man ihn dann tot in seinem Wohnzimmer aufgefunden hatte. Es handelte sich um einen zweiunddreißigjährigenHausmeister, der von allen Kollegen und Nachbarn als hilfsbereiter, freundlicher Mensch beschrieben wurde. In einem Fernsehinterview hatte Ella später nur Folgendes zu seinem Tod zu sagen: «Es ist traurig. Manchmal macht jemand etwas Böses, aber das macht ihn noch nicht zu einem bösen Menschen. Manchmal   …» – hier legte sie eine Pause ein, wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und blickte direkt in die Kamera – «…   manchmal ist es wichtig, einem Menschen zu vergeben.»

s?
    15.   August 1993
    Daniel war inzwischen seit fünf Tagen verschwunden. Aggie ging bei Rhonda zu Hause im Wohnzimmer auf und ab und redete mit Clem und Justine. Rhonda hielt sich außer Sichtweite in der Küche auf, wo sie alles bestens verstehen konnte. Sie hörte Aggies Schritte und ihre vor Angst schrille Stimme.
    «Ihm ist was zugestoßen», beharrte sie und ließ dabei die Eiswürfel in ihrem leeren Glas klappern, ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass sie gerne noch einen Gin Tonic hätte.
    «Ag, du übertreibst», widersprach Clem. «Er hat sich einfach nur eine Weile unsichtbar gemacht. Garantiert taucht er jetzt bald mit einem mordsmäßigen Kater auf und hat die nächste brandneue Idee, wie er massenhaft Knete machen kann.»
    «So lange war er noch nie weg», entgegnete Aggie. «Eine Nacht oder zwei, okay. Aber noch nie so lange. Weißt du, was ich heute gemacht habe, Clem? Ich habe sogar Laura Lee angerufen.»
    Clem räusperte sich. «Und was hat sie gesagt?»
    «Sie hat so getan, als wüsste sie von nichts, aber ich glaube, dass sie lügt.»
    «Warum glaubst du das?», fragte Justine.
    «Weil Frauen von ihrer Art es immer so halten. Sie lügen.»
    Clem murmelte etwas, was Rhonda nicht verstand, und dann hörte sie Aggie leise schluchzen.
    «Ich geh in die Küche und koche Kaffee», sagte Justine, und Rhonda verzog sich eilig in ihr Zimmer.
     
    «Kommt Daniel wirklich wieder?», fragte Rhonda. Sie und ihr Vater saßen Seite an Seite in dem alten Wagen im Wald.
    «Natürlich, Herzchen. Natürlich kommt er wieder. Mach dir keine Sorgen.»
    Aber Rhonda
machte
sich Sorgen. Was würde Clem und Aggie daran hindern, sich zusammenzutun und ein Paar zu werden, wenn Daniel nicht mehr da war? Gewiss nicht Rhondas Mutter. Clem würde Justine und Rhonda verlassen und sein altes Leben mit Aggie wiederaufnehmen. Bei diesem Gedanken zog sich Rhonda der Magen zusammen. Sie berührte die Wunde über ihrem Auge, die mit sieben Stichen genäht

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