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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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den geringsten Zweifel. Sie ging auf Lizzy zu.
    Lizzy trug das Haar immer noch lang, hatte es aber hintenzum Zopf geflochten. Sie hatte dunklen Eyeliner aufgelegt und trug verblichene Jeans, schwarze Cowboystiefel und ein weißes T-Shirt .
    Rhonda nahm Lizzy in die Arme und drückte sie fest an sich. «Ich verstehe nicht», flüsterte sie.
    «Ich habe dir so viel zu erzählen, Ronnie», sagte Lizzy.
    «Du redest wieder.» Rhonda trat zurück und studierte das Gesicht ihrer lange verlorengeglaubten Freundin.
    «Sie redet nicht nur», bemerkte Peter. «Sie ist eine Sängerin. Erzähl es ihr, Lizzy.»
    Lizzy nickte. «Ich habe eine Band in Seattle.
Amazing Grace and the Disciples.
Wir haben ein paar CDs gemacht.»
    «In Seattle?»
    «Da bin ich schließlich gelandet.»
    Es gab so viel zu sagen und zu fragen. Nach und nach schilderten sie einander in groben Zügen ihr Leben. Tack brachte Obst, Brot und Käse. Peter machte eine Flasche Wein auf.
    «Wann hast du mit dem Singen angefangen?», fragte Rhonda, die immer noch verwirrt war.
    «Also, das ist eine Geschichte für sich», erzählte Lizzy. «Nachdem ich von zu Hause abgehauen war, bin ich getrampt. Eine Zeit lang war ich in Boston. Ich hab auf der Straße gelebt und in Obdachlosenheimen.»
    «Moment mal», unterbrach Rhonda sie. «In Obdachlosenheimen? Ich dachte, du wärest bei Daniel gewesen.» Lizzy schüttelte den Kopf und sah weg.
    «Aber das stand doch auf deinen Postkarten», sagte Rhonda erstaunt.
    «Ich wollte auch, dass alle das glauben. Vielleicht wollteich es in gewisser Weise selbst glauben», erzählte Lizzy. «Tatsächlich aber war ich allein. Keiner wusste, wer ich war oder woher ich kam. Ich redete immer noch nicht. Erst mit sechzehn hab ich wieder mit dem Sprechen angefangen. Nach fünf Jahren Stummheit. Damals war ich in San Francisco, war mit Kimberly schwanger und lebte in einem Wohnheim für schwangere Minderjährige. Trish, eines der Mädel da, fragte mich, ob ich in ihrer Band mitmachen wollte. Sie brauchten eine Gitarristin. Also setzte ich mich einfach mal mit ihnen hin, griff zur Gitarre, und plötzlich sang ich los. Ich weiß nicht, ob die Musik oder ob Kimberly mir meine Stimme zurückgegeben hat – es wird wohl beides zusammen gewesen sein, und seitdem halte ich mich daran fest. An Kimmy und an der Musik. Das ist das Zentrum meines kleinen Universums.»
    «Das Mädchen, das im Garten mit Suzy spielt   … ist das Kimberly?»
    Lizzy nickte lächelnd.
     
    Nach einer Weile klopfte Peter auf die Zigaretten in seiner Hemdtasche. «Ronnie, komm, rauch eine mit mir», sagte er.
    «Jetzt sag mir nicht, dass du rauchst», rief Lizzy ungläubig.
    «Ab und zu», räumte Rhonda verlegen ein.
    «Ab und zu schadet nichts», meinte Peter. «Aber für meinen Teil wünschte ich, ich könnte die verdammten Dinger aufgeben.»
    «Du hast immer die Wahl», sagte Rhonda lächelnd.
    «Peter, es tut mir schrecklich leid», entschuldigte sichRhonda, nachdem sie beide allein auf der Vordertreppe saßen. An deren linker Seite wucherte eine Wildrosenhecke, die Rhonda auf dem Weg nach unten das Bein zerkratzt hatte. Als Rhonda aufblickte, sah sie in der Giebelspitze des Daches ein riesiges Wespennest kleben, ein verblüffend großes Gebilde aus Waben, um das herum ein geschäftiges Treiben herrschte, begleitet von lautem Summen und Brummen.
    «Wofür entschuldigst du dich?»
    «Dafür, dass ich geglaubt habe, du könntest irgendetwas mit Ernies Entführung zu tun haben.»
    Rhonda blickte in den Garten hinaus, an dessen Rand Suzy und Kimberly noch immer Löcher buddelten und allerlei Dinge vergruben.
    «Du hast einfach nur auf die Indizien geachtet, Ronnie. Und sehr ehrlich war ich dir gegenüber ja wirklich nicht.»
    «Neulich im Motel warst du mit Lizzy und Kimberly zusammen, oder?»
    Peter nickte. «Ich habe Lizzy kurz nach Suzys Geburt aufgespürt. Wir haben ein paarmal miteinander geredet, aber dann ist sie umgezogen, und wir haben den Kontakt verloren. Letztes Jahr rief sie mich dann ganz unerwartet an. Ich habe sie immer wieder gebeten heimzukommen, damit sie Suzy kennenlernen kann und ich Kimberly. Ende Mai hat sie dann endlich nachgegeben. Sie sagte, sie hätte ein paar Auftritte in New York und Boston und danach würden sie und Kimmy hier vorbeischauen. Sie war aber sehr nervös deswegen, und ich musste schwören, niemandem davon zu erzählen. Am späten Sonntagabend ist sie eingetroffen, und am nächsten Tag ging ihr Flug schon vor dem Abendessen. Wir

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