Die Insel der Verlorenen - Roman
nächsten Tagen packten er und seine Männer die Aufgabe mit Feuereifer an, aus dem wurmstichigen Holz der Kinkora – nachdem sie es gereinigt und geschmirgelt hatten – für jeden Soldaten ein Häuschen mit Petroleumlampe, Kohleherd und einer Zisterne zum Sammeln von Regenwasser zu bauen.
Derweil sich Leutnant Cardona und die anderen als Maurer und Schreiner betätigten, kümmerte sich Arnaud um die Beseitigung einer Plage, die ihnen täglich größere Schwierigkeiten bereitete: Überall wimmelte es von Landkrabben, die vor nichts haltmachten – weder vor Suppentöpfen noch vor Kleiderschränken oder Kinderbetten – , die in die Tanks fielen und dort verendeten, so dass ihre Kadaver das Trinkwasser verdarben. Ramón entwarf Fallen und Sperren, bis er, nach mehreren gescheiterten Versuchen, dem an Sturheit kaum zu überbietenden Krabbenvolk Grenzen zu setzen, eines Morgens den Geräteschuppen mit der genialen Konstruktion eines Doppelgitters verließ, das den Zweck erfüllte.
Obwohl sie die drückende Hitze beinah um den Verstand brachte, und eine steife Brise ging, hielt bei Arnaud und seinen Leuten die Bauwut weiter an. Den Soldatenhütten folgte die Konstruktion einer Schmalspurstrecke nach Decauvilles Vorbild, mit den aus Acapulco herbeigeschafften Schienen. Sie arbeiteten Hand in Hand mit Schultz und dessen Arbeitern, bis sie einen Zug – wie eine Spielzeugeisenbahn – in Betrieb nahmen, der seine offenen Loren eine hinter der anderen über die Schienen schleppte, die sie von den weißen Guanohügeln im Norden der Insel bis zum Lagerschuppen am Kai der Ostküste verlegt hatten; dort wurde der Vogelkot getrocknet und weiterverarbeitet.
Als Nächstes kam die Instandsetzung des Leuchtturms auf dem großen Südfelsen an die Reihe. Immerhin war einer vorhanden, wenn auch mit einer anachronistischen Mechanik und sowieso außer Betrieb. Arnaud modernisierte ihn mit neuen Linsen und Dochten auf dem alten Grundgerüst. Er ließ sechs Treppenabschnitte anbringen, jeden mit zehn Stufen, um den Aufstieg zum Leuchtturm ziviler zu gestalten, denn bisher war das auf dem glatten, abschüssigen Felsen ein selbstmörderisches Unterfangen. Er füllte den Tank mit Öl und in einer mondlosen Nacht mit Tausenden Sternen zündete er die Lampen an.
Unten setzten sich Männer, Frauen und Kinder von einer mystischen Stille ergriffen an den Strand. In ihrer Mitte brannte ein Lagerfeuer, um die Mücken zu vertreiben, und standen ihre Gewehre, zu dreien oder vieren aneinandergelehnt wie Kegel. Sie beobachteten das erste Aufflackern des großen Lichts und verfolgten anschließend mehrere Stunden lang wie hypnotisiert das Kreisen der blassen Strahlen. Es hatte sich etwas verändert. Jetzt waren sie nicht mehr ein verschwindender Punkt im Nichts. Jetzt gaben sie der Welt Zeugnis von sich, mit ihrem Leuchtturm, dem Leuchtturm von Clipperton, der in der grenzelosen Dunkelheit von Himmel und Meer wie eine kleine Kerze flackerte.
In jener Nacht, am Fuße des brennenden Leuchtturms, gab Oberleutnant Arnaud eine wichtige Order bekannt: Er dürfe nie erlöschen. An Ort und Stelle ernannte er einen seiner Vertrauensmänner zum Leuchtturmwärter, einen schwarzen Soldaten aus dem Staat Colima, mit Namen Victoriano Álvarez. Damit dieser seiner Aufgabe mit der notwendigen Zuverlässigkeit nachkommen konnte, wies er ihm als Behausung eine kleine Hütte am Fuß und im Schutz des großen Felsens zu, eigentlich eine Höhle im Felsen, aber mit einer Bretterwand zur Hütte ausgebaut und von den Soldaten »Leuchtwärterhöhle« getauft.
In dieser Wohnung war Victoriano Álvarez von seinen Kameraden isoliert. Andererseits gab ihm die Ernennung in sein neues Amt eine Sonderrolle mit beinah priesterlicher Aura. Denn er war ab sofort der Mann des Lichts, der Lenker verirrter Schiffe und Clippertons Kontakt zu dem, was da draußen war.
Auch die folgenden Wochen waren arbeitsam. Sie verstärkten den Kai und bauten in den niedrigen Steilküsten Salinen, um einen dauerhaften Salzvorrat anzulegen. Sie bauten Gehege für Schweine und Hühner, damit die nicht frei herumliefen, und es wurde strengste Anordnung gegeben, dass alle Menschen, ob volljährig oder minderjährig, ihre Notdurft in den Latrinen zu verrichten hatten und nicht mehr, wie bisher, an der Stelle, wo sich der Drang bemerkbar machte.
Was die Verpflegung der Truppe anging, so setzte Ramón der Anarchie des Wer-hat-der-hat ein Ende, indem er einen Laden für die Verteilung der Vorräte
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