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Die Insel der Verlorenen - Roman

Die Insel der Verlorenen - Roman

Titel: Die Insel der Verlorenen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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bin der Gouverneur«, dachte er und wurde von einem Gefühl überwältigt, das auf halber Strecke zwischen Lächerlichkeit und Stolz steckenblieb. »Ein kleiner Flecken zwar, aber, solange ich lebe, soll es ein kleiner mexikanischer Flecken sein. Meinetwegen können sie mir die ganze französische Armee auf den Hals hetzen, wenn sie wollen, hier kriegen sie mich nicht weg. Selbst wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, sie werden mich hier nicht wegkriegen.«
    Und da stellte sie sich ein, die Rührung. Mit feuchten Augen hielt er eine billige Rede und ließ Mexiko dreimal hochleben. Damit beendete er die offizielle territoriale Übernahme der Insel Clipperton, der einstigen Isla de la Pasión . Nach der Zeremonie und nachdem er die Befehle zur Löschung der Ladung erteilt hatte, inspizierte Arnaud auf einem ersten Rundgang mit Cardona die Insel. Zunächst wollten sie Alicia zum Haus bringen, dann die Bauarbeiten in Augenschein nehmen und sich schließlich mit Schultz in dessen Hütte treffen, der sich schon verabschiedet hatte, nachdem er unverdrossen weiter auf dem Palmenthema herumgeritten war und mehrmals aus tiefster Kehle das Wort »Schluck« ausgestoßen hatte.
    »Er will damit sagen, dass er uns zu einem Schlückchen einlädt«, übersetzte der Leutnant.
    Sie gingen auf die Südwestseite der Insel, wo die Arnauds wohnen würden. Unterwegs kamen sie an den Schuppen vorbei, die als Guano-Lager dienten, an den Behausungen der Arbeiter, an den Baracken der Soldaten. Alles rudimentäre Bauten, die sich kaum auf den Beinen hielten und nur wenig Schutz gegen Wind und Wetter boten. In ihrer Nähe standen Fässer zum Sammeln von Regenwasser, lag Unrat, streunten Hunde, jagten ein paar magere Schweine hinter Landkrabben her, um sie zu fressen.
    Der Gesamteindruck war der eines Elendsquartiers. Daher war Alicia angenehm überrascht, als sie von fern die Einzellageihres Hauses erblickte. Es handelte sich um ein großartiges, eingeschossiges Wohnhaus aus massivem, geschliffenem und lackiertem Pinienholz, mit Satteldach und Blick auf ein Stück Strand, es stand auf Pfählen eineinhalb Meter über dem Boden und war damit vor den Fluten und den Landkrabben sicher. Ein breiter, umlaufender Balkon mit Geländer nahm alle vier Seiten ein, die hellen, gut belüfteten Zimmer waren miteinander verbunden und jeweils zum Balkon hin offen. Sie waren alle groß, bis auf eins, das Alicia zu ihrem bevorzugten Refugium erkor: ein kleines, ans Elternschlafzimmer angrenzendes Kabinett mit einem großen bunten Glasfenster zum Meer.
    Ihr Haus war zwar keine Villa, kam ihr aber im Vergleich zur übrigen Siedlung wie der reinste orientalische Luxus vor. Und es gab nichts in ihrem Haus, was nicht funktionierte, nichts, was dem Zufall überlassen war: Alle Einzelheiten und die komplette Ausstattung waren mit äußerster Sorgfalt und Perfektion durchgeführt. Das Haus hatte dem früheren Betriebsleiter der Guano-Gesellschaft gehört, einem Engländer, der nach Europa zurückgekehrt war, als der Deutsche Schultz seine Stelle übernahm. Arthur James Brander war ein Genießer und Pedant gewesen und hatte den Auftrag am anderen Ende des Globus nur unter der Bedingung angenommen, dass man ihm das beste Fertighaus aus San Francisco dorthin stellte und seinem philippinischen Hausangestellten die Überfahrt bezahlte, einem unterwürfigen Diener, der ihn beim Schach gewinnen ließ und ihm sogar auf Clipperton jeden Nachmittag um Punkt fünf seinen Tea mit frisch gebackenen Muffins servierte.
    Der Engländer hatte das Haus an die einzige Stelle der Insel stellen lassen, wo der undurchsichtige graue Pazifik in transparentem Ultramarin schimmerte und einem der üble Geruch aus der Lagune nicht den Atem nahm, weil die Passatwinde ihn wegbliesen. Als versierter Schreiner hatte Brander den Rohbau eigenhändig mit Details und Raffinessen ergänzt, wie eingebauten Regalen und Simsen sowie gezimmerten Fensterläden. Auf dem Balkon, der nach Osten ging, hatte er eine aus Nicaragua mitgebrachte Hängematte montiert und ließ sich dort, mit einem echten schottischen Whiskey in der Hand, zur Beobachtung des Sonnenaufgangs nieder. Auf der gegenüberliegenden Seite, nämlich dem Westbalkon, genoss er in einer weiteren Hängematte einen weiteren Scotch und zwar bei Sonnenuntergang.
    Es dauerte keine Stunde, da stapelten sich die Kisten und Truhen mit dem Hausrat des Ehepaars Arnaud auf den Balkonen von Branders Haus. In den nächsten Tagen sah der unglückliche Ramón,

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