Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Witwen

Die Insel der Witwen

Titel: Die Insel der Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Fohl
Vom Netzwerk:
lag ein großes Papier. Sie erkannte den Leuchtturm. Sie streute ein paar Handvoll Krabbenschalen über den Plan. Den Rest verteilte sie im Bett. Plötzlich hörte sie, wie sich hinter ihr die Tür öffnete. Sie konnte sich nirgendwo verstecken. Sie …
    »Wer da?«
    Der Ingenieur rannte auf sie zu, packte sie blitzschnell an den Armen. Es schmerzte. Sie versuchte sich zu befreien, zerrte und wand sich. Er ließ nicht locker. Er war sehr stark. Seine Hände umklammerten sie wie zugeschnappte Krebsscheren. Sie trat ihn mit den Füßen. Er warf sie aufs Bett. Sie lag in den Krabbenschalen. Ihre Mütze rutschte herunter. Das Haar kam zum Vorschein. Er hielt inne. Sein Griff lockerte sich. Keike nutzte die Gelegenheit, um zu flüchten. Es gelang ihr nicht. Die Scheren klappten wieder zu. Ihre Blicke trafen sich. Seine Augen funkelten vor Wut.
    »Was fällt dir ein?«
    Keike schwieg. Sie hielt seinem Blick stand. Doch sie spürte, wie ihre Augen aufweichten. Sie versuchte, zornig zu bleiben, aber sie wurde von Blütenblättern überrieselt. Eine heiße Welle überrollte sie. Sie spürte, wie ihr Herz aufsprang, wie ihr Gesicht glühte und sich mit tiefer Schamesröte überzog. Sie schlug die Augen nieder.
    Er ließ sie los. »Mach, dass du verschwindest! Und lass dich hier nicht mehr blicken.«
     
    Andreas Hartmann lehnte am Türrahmen. Zornig blickte er der Frau nach. Sie stolperte über den Bauplatz. Sie hatte einen Stiefel verloren. Sie humpelte in die Dünenberge, entschwand hinter der weißen Nebelwand. Er ging hinaus und hob den Stiefel auf. Es war ein Männerstiefel. Er untersuchte ihn genauer, drehte und wendete ihn. Dabei fielen getrocknete Moosflechten heraus. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit dem Stiefel in der Hand kehrte er um. Er stellte ihn in seine Kammer neben die seinen. Wenn man ihn gefragt hätte, warum er das tat, hätte er nicht antworten können.
     
    Dieser Gestank. Er öffnete das Fenster, ging zum Tisch, schüttelte die Sauerei vom Bauplan herunter, sammelte die Schalen vom Bett ab und wechselte das Laken. Dann schlug er sein Bautagebuch auf und schrieb:
    Krabbenanschlag auf Bauingenieur. Nur mit knapper Not überlebt.
     
    Er konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Noch nie hatte er mit einer Frau gekämpft. Noch nie war er von einer Frau getreten worden. Noch nie hatte er solche Augen gesehen.
    Nur gut, dass er den Gottesdienst geschwänzt hatte. Er schüttelte den Gedanken ab und widmete sich ernsten Aufgaben. Endlich war ein nicht geringer Teil der Ziegel und Granitsteine vorhanden. Er notierte:
     
    Die Granitstufen können gleichzeitig mit dem Aufmauern des Turmes und Pfeilers versetzt werden. Der Pfeiler erhält oben eine Öffnung ein Fußbreit und eineinhalb Fuß hoch, um zu dem abgelaufenen Gewicht des Drehapparates gelangen zu können. Es sollten auch in einigen Geschossen Öffnungen im Pfeiler angebracht und mit eisernen Türen versehen werden. Der Pfeiler endet auf einer Höhe von siebenundsechzig ein Viertel Fuß, um für den Aufenthalt der Wärter mehr Raum zu gewinnen. Das oberste Turmgeschoss ist für die Wärter vorgesehen. Darin wird auch die Maschine zur Bewegung des Leuchtapparates aufgestellt werden. Da die stehende eiserne Welle, die den Lampenring trägt, einer zu großen Länge ausgesetzt sein würde und zu sehr vibrieren könnte, ist es ratsam, den Entwurf dahin abzuändern, dass die Maschine in dem darüber befindlichen Raum innerhalb des Unterbaus der Laterne aufgestellt wird. Der hohle Raum des Pfeilers für das bewegende Gewicht würde dann noch durch die Wärterstube hindurchzuführen und mit einem Eisenmantel zu umgeben sein.
     
    Eine Frau in Männerkleidung. Und so stark. Sie war … sie war zum Küssen schön. Er musste an den Moment denken, in dem ihr die Kappe vom Kopf rutschte und ihr Haar zum Vorschein kam. Ihre Augen flackerten wild und trotzig aus der goldenen Pracht hervor. Plötzlich schimmerten sie samtig weich. Warum hatte er sie nicht einfach geküsst ? Stattdessen hatte er sie wie ein dummer Junge davonlaufen lassen und ihr nachgerufen, sie solle nie wieder kommen. Ja, was denn. Recht so. Sie war ein ungezogenes Frauenzimmer. Außerdem hätte er sich niemals getraut. Überhaupt, was bildete er sich ein. Hirngespinste, nichts als Hirngespinste. Sie war schön, zugegeben, wunderschön. Er hatte ihren festen, kraftvollen Körper durch die Kleidung hindurch gespürt. Ihm war heiß geworden.
    Herr Ingenieur, nun ist es genug! Konzentrieren Sie

Weitere Kostenlose Bücher