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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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wilden Schrei aus und verdoppelte meine Geschwindigkeit. Ein paar dunkle, schwarze Wesen, etwa drei- oder viermal so groß wie Kaninchen, hüpften vom Strand zu den Büschen hinauf, als ich vorüberlief. Solange ich lebe, werde ich an das Grauen dieser Verfolgungsjagd denken. Ich lief nah am Rande des Wassers und hörte von Zeit zu Zeit das Klatschen der Füße, die mich einholten. Fern, hoffnungslos fern war das gelbe Licht. Die Nacht um mich herum war schwarz und still. Klatsch, klatsch, kamen die Füße näher. Ich fühlte, wie mir die Luft ausging, denn ich war völlig untrainiert; der Atem pfiff, wenn ich ihn einzog, und in der Seite fühlte ich messerscharfen Schmerz. Ich wußte, das Wesen würde mich, lange bevor ich die Ummauerung erreichte, einholen - und verzweifelt und nach Atem ringend drehte ich mich um, stürzte darauf zu und traf es, als es herankam - traf es mit all meiner Kraft. Der Stein rutschte dabei aus der Schlinge heraus.
    Als ich mich umwandte, erhob sich das Geschöpf, das auf allen vieren gelaufen war, und das Geschoß schlug genau gegen seine linke Schläfe. Der Schädel dröhnte laut, und der Tiermensch stürzte auf mich zu, warf mich mit den Händen zurück, stolperte an mir vorbei und stürzte kopfüber auf den Sand, mit dem Gesicht ins Wasser. Und dort blieb er liegen.
    Ich konnte mich nicht dazu überwinden, mich dem schwarzen Haufen zu nähern. Ich ließ ihn dort liegen, wo das Wasser sich unter den stillen Sternen um ihn herum kräuselte, und setzte meinen Weg fort, auf das gelbe Licht des Hauses zu. Und dann hörte ich plötzlich mit Erleichterung das jämmerliche Klagen des Pumas, das Geräusch, das mich ursprünglich hinausgetrieben hatte, diese geheimnisvolle Insel zu erforschen. Obgleich ich schwach und furchtbar ermattet war, nahm ich all meine Kraft zusammen und begann wieder, auf das Licht zuzulaufen. Mir war, als riefe mich eine Stimme.

10
    Der Schrei des
    Menschen

    Als ich mich dem Haus näherte, sah ich, daß Licht aus der offenen Tür meines Zimmers drang; und dann hörte ich aus dem Dunkel neben dem gelben Viereck Montgomery rufen: »Prendick.«
    Ich lief weiter. Gleich darauf hörte ich ihn wieder. Ich antwortete mit einem schwachen »Hallo!«, und im nächsten Moment war ich bis zu ihm hingestolpert.
    »Wo sind Sie gewesen?« fragte er und hielt mich in Armeslänge von sich weg, so daß mir das Licht aufs Gesicht fiel. »Wir haben beide so viel zu tun gehabt, daß wir Sie bis vor einer halben Stunde vergessen hatten.«
    Er führte mich ins Zimmer und setzte mich in den Schiffsstuhl. Eine Zeitlang war ich vom Licht geblendet. »Wir dachten nicht, daß Sie sich aufmachen würden, unsere Insel zu erforschen, ohne uns etwas zu sagen«, meinte er. Und dann: »Ich hatte Angst! Aber ... was ... He!«
    Denn meine letzte Kraft wich von mir, und mir fiel der Kopf vorn auf die Brust. Ich glaube, er empfand eine gewisse Befriedigung, als er mir Brandy gab. »Um Gottes willen«, sagte ich, »machen Sie die Tür zu.«
    »Sie sind ein paar von unseren Kuriositäten begegnet, wie?« fragte er. Er verschloß die Tür und wandte sich mir wieder zu. Er stellte mir keine Fragen, aber er gab mir noch etwas Brandy mit Wasser und drängte mich, zu essen. Ich war am Rande des Zusammenbruchs. Montgomery erklärte vage, er habe vergessen, mich zu warnen, und fragte mich kurz, wann ich das Haus verlassen und was ich gesehen hätte. Ich antwortete ihm ebenso kurz in fragmentarischen Sätzen. »Sagen Sie mir, was das alles bedeutet«, bat ich, den Tränen nahe.
    »Es ist nichts Schlimmes«, sagte er. »Aber mir scheint, Sie haben für einen Tag genug gesehen.« Der Puma stieß plötzlich einen scharfen Schmerzensschrei aus. Da fluchte er leise. »Ich lass’ mich hängen«, sagte er, »wenn’s hier nicht ebenso schlimm ist wie in der Gower Street mit den Katzen.«
    »Montgomery«, fragte ich, »was war das für ein Wesen, das mir nachkam? War es ein Tier, oder war es ein Mensch?«
    »Wenn Sie heut nacht nicht schlafen«, antwortete er, »haben Sie morgen früh den Verstand verloren.«
    Ich stand auf. »Was war das für ein Wesen, das mir nachkam?« fragte ich.
    Er blickte mir gerade in die Augen und verzog den Mund. Seine Augen, die eine Minute zuvor lebhaft ausgesehen hatten, wurden stumpf. »Nach Ihrer Beschreibung«, sagte er, »scheint mir, war es ein Schreckgespenst.«
    Ich fühlte eine stürmische Gereiztheit, die so rasch verging, wie sie gekommen war. Ich warf mich wieder in den Stuhl

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