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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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war jetzt überzeugt, absolut überzeugt, daß Moreau ein menschliches Wesen viviseziert hatte. Die ganze Zeit über, seit ich seinen Namen gehört hatte, hatte ich versucht, das tierhafte Wesen der Insulaner mit seinen Greueln in Verbindung zu bringen; und jetzt, so meinte ich, durchschaute ich alles. Moreaus Werke über Blutübertragung fielen mir wieder ein. Diese Geschöpfe, die ich gesehen hatte, waren die Opfer eines entsetzlichen Experiments!
    Diese elenden Schurken hatten mich nur zurückhalten wollen, um mich mit ihrem gespielten Vertrauen zu ködern und mir dann ein furchtbareres Schicksal zu bereiten als der Tod, mit Qualen und der schrecklichsten Erniedrigung, die denkbar war - um mich, eine verlorene Seele, ein Tier, den anderen ihrer Kreaturen hinzuzufügen. Ich sah mich nach einer Waffe um. Nichts. Dann drehte ich in einer Eingebung den Schiffsstuhl um, setzte den Fuß darauf und rieß die Seitenlatte herunter. Zufällig bekam ich mit dem Holz einen Nagel heraus, der darin steckte und der lächerlichen Waffe eine Spur von Gefährlichkeit verlieh. Ich hörte draußen Schritte und stieß die Tür schnell und heftig auf. Montgomery stand keinen Meter davon entfernt. Er hatte die äußere Tür verschließen wollen.
    Ich hob meine Nagelstange und schlug gegen sein Gesicht, aber er sprang zurück. Ich zögerte einen Moment, dann wandte ich mich und floh um die Hausecke. »Prendick! Mensch!« hörte ich ihn erstaunt rufen. »Machen Sie keine Dummheiten, Mann!«
    Noch eine Minute, dachte ich, und er hätte mich eingeschlossen, meinem Schicksal ausgeliefert wie die Versuchstiere in einer Klinik. Er kam um die Ecke herum, denn ich hörte ihn »Prendick!« rufen. Dann begann er, mir nachzulaufen, wobei er mir allerlei nachrief.
    Diesmal lief ich blindlings nach Nordosten, in eine andere Richtung als bei meinem ersten Ausflug. Einmal blickte ich, als ich so den Strand hinauflief, über die Schulter zurück und sah Montgomerys Diener. Ich rannte wütend den Hang hinauf, hinüber, und wandte mich dann nach Osten, in ein felsiges Tal, das auf beiden Seiten mit Gebüsch gesäumt war. Ich lief vielleicht eine Meile ununterbrochen; mein Atem flog, und das Blut pochte mir in den Ohren. Als ich nichts mehr von Montgomery und seinem Diener hörte, schlug ich, da ich mich der Erschöpfung nahe fühlte, einen scharfen Haken, nach dem Strande zu, wie mir schien, und legte mich im Schutz eines Röhrichts nieder.
    Dort blieb ich lange Zeit, zu ängstlich, um mich zu rühren, ja zu ängstlich, um einen Plan zu fassen. Die Sonne brannte hernieder, und um mich herum, in dieser wilden Landschaft, herrschte Stille; das einzige Geräusch in meiner Nähe war das dünne Summen einiger kleiner Mücken, die mich entdeckt hatten. Dann wurde ich mir eines schläfrigen Geräusches bewußt, das wie tiefes Atmen klang - das Rauschen des Meeres auf dem Strande.
    Nach etwa einer Stunde hörte ich Montgomery weit im Norden meinen Namen rufen. Darüber begann ich einen Plan auszuhecken. Wie ich zu diesem Zeitpunkt meinte, war die Insel nur von zwei Vivisektoren und ihren Opfern bewohnt. Ein paar davon konnten sie, wenn es nötig werden sollte, ohne Zweifel dazu zwingen, sie bei meiner Verfolgung zu unterstützen. Ich wußte, sowohl Moreau wie Montgomery hatten Revolver; und abgesehen von einer schwachen Tannenholzlatte, die mit einem kleinen Nagel versehen war - dem Spottbild einer Keule -, war ich unbewaffnet.
    So blieb ich liegen, wo ich lag, bis ich an Essen und Trinken denken mußte. Und erst in dem Moment ging mir die Hoffnungslosigkeit meiner Lage auf. Ich wußte nicht, wie ich etwas zu essen bekommen sollte; ich verstand auch zuwenig von Botanik, um irgendwelche eßbaren Wurzeln oder Früchte zu entdecken. Ich hatte keinerlei Hilfsmittel, um die paar Kaninchen auf der Insel zu fangen. Je mehr ich meine Lage bedachte, um so trostloser erschien sie mir. Schließlich fielen mir in meiner Verzweiflung die Tiermenschen ein, denen ich begegnet war. Nacheinander besann ich mich auf alle, die ich gesehen hatte, und versuchte, mich daran zu erinnern, ob einer so ausgesehen hatte, als würde er mir vielleicht helfen.
    Dann hörte ich plötzlich einen Hetzhund bellen, und damit wurde mir eine neue Gefahr bewußt. Ich hatte keine Zeit mehr zum Nachdenken. Ich raffte meine Nagellatte auf und stürzte aus meinem Versteck jäh in Richtung Meer. Ich entsinne mich eines Gebüsches dorniger Pflanzen mit Stacheln, die wie Federmesser stachen. Blutend und mit

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