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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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unserer Hütte auf einem flachen Stein Wurzeln zermahlte. Außer der großen Schlange waren die meisten Tiere, die mit uns die Insel bewohnten, kleiner als ich. Es gab ein paar scheue Rehe und schlitzäugige Ziegen, die selten aus den höheren Regionen herabkamen, wenigstens bei Tage. Die Affen, deren Revier der tiefe Wald war, fürchteten sich nicht, im hellen Sonnenschein herumzutollen, aber sie gingen mir alle kaum übers Knie und hielten sich zudem wenig am Boden auf. Deshalb versteht es sich, daß ich sowohl Angst hatte als auch gespannt war auf das, was da im hohen Gras einen solchen Lärm machte.
    Während ich angestrengt spähte, Brust und Kinn auf die regenschwere schwarze Erde gepreßt, teilten sich plötzlich die Halme, und ein Wurf kleiner Frischlinge kam hervor, die Schnauzen runzelnd und aufgeregt schnaubend. Sie waren beinahe haarlos, rosa mit grauen Flecken, und das einzige Zeichen dafür, daß sie mich wahrgenommen hatten, war der leicht veränderte Ton ihres Schnaubens. Sie musterten mich eine ganze Weile, dann beschnüffelten sie wieder die Erde, wobei sie sich gegenseitig schubsten und stupsten, wenn eines von ihnen etwas interessant Aussehendes entdeckt hatte. Ich beobachtete sie gebannt. Vielleicht lachte ich sogar. Da erschien ihre Mutter.
    Sie war riesig, nicht nur für meine Verhältnisse, ein Berg von Muskeln, Fett und rauhen Borsten, noch abschreckender durch ein blutunterlaufenes Auge. Einem zu ihren Füßen am Boden liegenden Kind mußte sie als ein nahezu unbeschreibliches Ungetüm erscheinen. Wenn meine Mutter in der Lage gewesen wäre, mir Geschichten vom Satan und seinen Dämonen zu erzählen, hätte ich dieser Bache sofort einen hohen Rang im Pantheon der Hölle zuerkannt.
    Was mich rettete war, daß ich augenblicklich das Hasenpanier ergriff. Während sie mich noch verdutzt anstarrte und dann den Kopf senkte, sprang ich auf und brachte mich mit anderthalb Schritten und einem großen Satz auf dem nächsten Baum in Sicherheit. Wenn der Baum einen Schritt weiter weg gestanden hätte, wäre ich umgekommen, daran habe ich keinen Zweifel.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     



 
     
     
    So wurde ich nur von einem ihrer Hauer gestreift, doch schon das reichte aus, um mir eine lange, tiefe Schramme am Bein beizubringen, die ich allerdings erst bemerkte, als ich bis zum höchsten Ast emporgeklettert war, den ich erreichen konnte. Als ich dort schließlich das Blut aus der Wunde strömen sah, wäre ich beinahe heruntergefallen. Ich preßte die Ränder der aufgerissenen Haut zusammen und blickte nach unten. Aufgebracht grunzend umkreiste die Bache den Baumstamm, wobei sie ab und zu stehenblieb, um mich mit ihren boshaften Äuglein zu fixieren. Ihr Anblick machte mir solche Angst, daß ich fast das Gleichgewicht verloren hätte und abgerutscht wäre, und ich schwöre, daß sie das merkte. Abwartend begab sie sich an einen Fleck genau unter mir, doch ich schwankte nur kurz und faßte dann wieder Tritt auf dem vom Blut glitschigen Ast.
    Wenn ich auch sprachlos war, wußte ich doch, daß es bestimmte Dinge gab, die ich tun sollte. Meine Mutter hatte mich nach allerlei kleinen Unfällen oft genug verbunden und bepflastert. Ich ging damals bis auf den schützenden Schlamm fast nackt und trug daher nichts am Leib, woraus ich mir einen Verband hätte machen können. Der Baum selbst hatte keine Blätter, sondern Nadeln. Um die Blutung zu stillen blieb mir nichts anderes übrig, als die Hautfetzen an meinem verletzten Bein mit den Fingern zusammenzukneifen.
    Die Bache aber ging nicht weg. Die Frischlinge schienen völlig zufrieden damit zu sein, sich auf der Lichtung unter dem Baum zu tummeln, mit ihren winzigen Schnauzen herumzuwühlen und einander zuzuquieken, und so gab es für die Mutter keinen Grund, den Platz zu verlassen. Bestimmt eine Stunde schlich zäh dahin, und sie waren immer noch da. Die netten Tierchen, die mich erst kurz vorher noch entzückt hatten, waren jetzt in meinen Augen Dämonen, die mich vorsätzlich peinigten. Wie ich sie verfluchte, während ich den Boden mit Blut und Tränen tränkte, doch es half mir nichts. Die Ferkel tollten umher und schliefen dann mit pumpenden Bäuchlein im Schatten des Baumes. Die Mutter beobachtete mich mit einem Auge, das rot war wie meine Wunde, kalt wie ein Flußkiesel. Der Tag kroch dahin, und ich klammerte mich weiter an den Ast, schwindlig, schwach und zunehmend sicher, daß mich nichts mehr

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