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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mein Herz und mein Blut sind kalt, kalt, kalt.
     
     
    Damals nämlich lernte ich begreifen, was Haß ist. Während das Fieber, das dann kam, mich schüttelte, während ich die dünnen Brühen, mit denen meine Mutter mich fütterte, wieder erbrach und während ich mich unter den Schmerzen der heilenden Wunde wand, begann ich die Kreatur zu hassen, die mir das angetan hatte.
    Anfangs fühlte ich nur Furcht. Wenn ich nicht schlafen konnte, meinte ich, die bösen Äuglein der Bache in der Finsternis glitzern zu sehen, und ihr heißer, stinkender Atem verfolgte mich selbst noch in meinen Träumen. Doch nach einer Weile, als die sich stetig aufhäufenden Tage das furchtbare Ereignis zum Teil bedeckten, konzentrierte ich mich statt dessen auf das mir geschehene Unrecht, und aus Furcht wurde schwarzer Haß. Als ich schließlich aufstehen konnte und feststellen mußte, daß ich kaum von einem Ende unseres kleinen Strandes zum anderen humpeln konnte, daß meine Gebrechlichkeit mich an einen qualvoll kleinen Flecken Erde fesselte und damit an die dauernde Gegenwart meiner Mutter, deren Fürsorglichkeit sich längst gegeben hatte, da gerann der Haß zu etwas, das kälter und berechnender war. Ich sann auf Rache.
    Als die Bache mich bestimmt schon längst vergessen hatte, dachte ich immer noch an sie und wünschte ihr alles Schlechte. Vielleicht ist das ein Exempel für das, was dein Vater dir so viele Male erklärte: daß ich selbst nicht besser als ein Tier war und bin. Kann sein. Auf jeden Fall war ich mißhandelt worden, und das konnte ich nicht vergessen. Ich wollte Schmerz mit Schmerz vergelten… mindestens.
    Ich lernte hassen. Ich lernte Unrecht erleiden und es hüten wie einen kleinen Funken an einem kalten, nassen Abend. Jedesmal, wenn das Vergehen der Tage oder meine fortschreitende Genesung den Funken auszulöschen drohte, führte ich ihn dicht an den Mund und pustete, bis er wieder aufflammte. Ich schürte die Glut. Ich setzte mich ihrer Hitze aus, obwohl das manchmal mehr als anstrengend war.
    Du solltest nie unterschätzen, wieviel Mühe der Haß kostet, Miranda.
    Als ich gut genug gehen konnte, um der Gefangenschaft bei meiner Mutter wieder zu entfliehen, begab ich mich an den Berghang zurück, wo ich so grundlos angegriffen worden war. Ich hatte einen scharfen, im Feuer gehärteten Stock dabei, der mir wenigstens ein geringes Gefühl von Schutz verlieh, obwohl er mir in Wahrheit, denke ich, gegen das große Untier nicht viel mehr genützt hätte als Fingernägel und Zähne. Dennoch war mir irgendwie wohler dabei, ihn in der Hand zu halten. Ich hatte den Speer ein paar Sommer zuvor gemacht und damit von Zeit zu Zeit ziemlich vergebens nach den bunten Fischen gestochen, die sich im flachen Meerwasser zwischen den Felsen versteckten. Immerhin war die Bache ein größeres und weniger flinkes Ziel.
    So kehrte ich denn mit hämmerndem Herzen an den Ort zurück, wo die Schwinge des Todes mich gestreift hatte. Doch außer den Hufspuren der Bache und ihrer Jungen im Schlamm war von meiner Peinigerin nichts zu sehen. Ich kniete mich an der Stelle hin, wo sie seinerzeit vor mir über die Lichtung gegangen waren, und fing an zu graben. Mit beiden Händen als Schaufel hob ich einen Klumpen Schlamm heraus. Ich warf ihn zur Seite und stach abermals ein.
    Es war nicht das Werk eines einzigen Tages, doch als die Sonne zu sinken begann, hatte ich in der feuchten Erde eine große Mulde ausgehoben. Schmutzig und erschöpft und mit solchen Schmerzen im Bein, daß der Heimweg mir nur wenig leichter fiel als am Tag der ursprünglichen Verwundung, kehrte ich in die stumme Gesellschaft meiner Mutter zurück. Nachdem ich etwas gegessen hatte, schlief ich rasch ein, und bevor die Sonne am nächsten Morgen über den Berg schien, war ich schon wieder in meiner Grube.
    Gegen Mittag machte ich Rast und trank etwas Wasser, das sich in einem ausgehöhlten Stein angesammelt hatte. Danach nahm ich in Augenschein, was ich geleistet hatte, den Schacht in der Erde, der jetzt tiefer war als ich hoch, ein schwarzes Loch, leer bis auf einen an der Wand lehnenden breiten Ast, mit dessen Hilfe ich hinein- und hinauskletterte. Dünne Wurzelfasern ragten aus der aufgerissenen Erde, weiß, wie erschrocken. Der Anblick machte mich beklommen.
    Irgend etwas an dem Loch war ungut, das fühlte ich, aber ich konnte nicht ausmachen, was es war. Ich rätselte lange daran herum, so lange, daß der Schlamm, der mich bedeckte, zu einer schuppigen Kruste erstarrte. So

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