Die Insel des Mondes
anderen Sachen noch da waren, das musste etwas zu bedeuten haben, nur was?
Sie wickelte Nirina wieder ein, dann band sie ihn mit den Stoffstreifen um ihre Brust, und darüber wand sie das Hemd von Lázló, sodass der Kleine darin noch besser gestützt wurde, dann schnürte sie die Ärmel fest um ihre Taille. Schließlich packte sie den Rest zusammen, nur Mathildes Buch stopfte sie wie immer in ihre Ledertasche und hängte sie sich um. Hatte Noria vielleicht die Kette als Erinnerungsstück genommen? Das ergäbe Sinn, aber auch noch den Brief?
»Sind Sie fertig?« Villeneuve stand vor ihrem Zelt. »Dann helfe ich Ihnen beim Zeltabbauen.«
Paula trat zu ihm. »Es kann losgehen.«
»Was ist los mit Ihnen?«, fragte Villeneuve verwundert.
»Nichts.« Oder konnte man ihr etwa ansehen, dass sie wegen der verschwundenen Gegenstände beunruhigt war.
»Aber etwas in Ihrem Gesicht ist verändert.«
»Das bilden Sie sich ein.« Vor ein paar Wochen hätte ich noch zu ihm gesagt, dass ihn mein Gesicht nicht das Mindeste angeht, überlegte sie.
»Sie sehen aus wie jemand, der ein unerwartetes Geschenk bekommen hat.«
»Nirina.« Paula streichelte sachte über den Rücken des Kindes, und in dem Augenblick, als sie es aussprach, wusste sie, dass es stimmte. »Ja, Nirina ist wirklich ein Geschenk.«
Villeneuve stutzte einen Moment, dann lächelte er sie sanft an. »Es tut mir leid, wenn ich Sie wegen Nirina anfangs getadelt habe. Das war falsch.«
Eine Entschuldigung von ihm! Das erstaunte sie so sehr, dass sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte. Eine seltsame Stille breitete sich zwischen ihnen aus, und als Villeneuve näher kam, zuckte sie nicht zurück. Er streckte seine Hand nach ihr aus, aber das war ihr dann doch zu viel, und gerade als sie einen Schritt zurücktreten wollte, legte er seine Hand auf Nirinas Rücken und kraulte seinen Kopf.
Noria und Morten riefen nach ihnen und wollten wissen, wann es denn endlich losginge.
Villeneuve und Paula sahen sich an.
»Dafür, dass sie nicht mit dem Floß fahren wollen, haben sie es jetzt aber ganz schön eilig.« Villeneuve grinste.
»Sie wollen es einfach nur hinter sich haben, und ich ehrlich gesagt auch. Glauben Sie wirklich, dass die Krokodile nur abends jagen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Probieren wir es aus.«
32
Perubalsam
Myroxylon Pereira Hanb. Der Balsam erscheint als eine dunkelrote oder dunkelbraune, mitunter fast schwarze, sirupdicke Flüssigkeit. Er trocknet nicht leicht an der Luft, besitzt einen angenehmen, an Vanille erinnernden, doch weniger lieblichen Geruch.
D ie Sonne stand nun schon deutlich niedriger, und die
Mittagshitze war vergangen. Das Floß war zu zwei Dritteln voll mit Gepäck, sodass Paula und ihre Reisegefährten sich eng aneinanderdrängen mussten.
Villeneuve und Morten waren als Letzte aufgesprungen, nachdem sie das Floß ins Wasser gestoßen hatten.
Sie gewannen schnell an Fahrt. Im Fluss befanden sich viele kleine Strudel, die man vom Ufer nicht hatte sehen können, und die das Floß dazu brachten, sich um sich selbst zu drehen. Dabei wackelte alles hin und her. Paula saß auf dem Boden und klammerte sich rechts und links neben ihren Oberschenkeln an den Bambusstangen des Floßes fest. Noria, Morten und Villeneuve knieten an den Außenkanten der Plattform und versuchten mithilfe von Stangen, das Floß näher an das andere Ufer zu dirigieren, aber die Strömung war sehr viel stärker, als sie vermutet hatten. Sie wurden ständig schneller und schneller.
Wenigstens sehe ich keine Krokodile, dachte Paula, dann hat Villeneuve mit seinen Theorien doch recht gehabt. Ein Strudel schleuderte sie zur Seite, und sie bedauerte es, Nirina vor ihre Brust geschnürt zu haben statt auf den Rücken, denn so konnte Paula sich weder besonders gut festhalten, noch den anderen beim Staken helfen, und es wurde jede Hand gebraucht.
»Wenn mir jemand hilft, Nirina auf den Rücken zu binden, dann kann ich mit anpacken.«
»Gute Idee, dann sind wir schneller am anderen Ufer.« Morten klang erleichtert.
»Unsinn, wir werden doch mitten auf dem Fluss keine solchen Manöver vornehmen!« Villeneuve brummelte weiter vor sich hin, aber Paula konnte ihn nicht verstehen. Noria zog ihre Stange ein und kroch zu Paula. »Wir brauchen wirklich jede Hand, ich werde Ihnen helfen.«
Paula zog die Ledertasche mit dem Buch von ihrer Schulter, legte sie neben sich und begann Nirina loszubinden.
»Achtung, alle gut festhalten, hier kommt eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher