Die Insel des Mondes
Ledertasche zu retten! Wenn das nicht der Beweis dafür ist, dass sich das Ziel meiner Wünsche genau darin befindet. Und dann wirft sie die Tasche in meinen Schoß, bleibt aber selbst im Wasser, und jetzt ist sie auch noch verletzt. Ich sehe, wie ihr Blut sich mit dem grünen Wasser dieses herrlichen, der Rache geweihten Flusses vermischt.
Und, Gott der Herr sei gepriesen, hinter dem Floß entdecke ich sie, die ihre Schnauzen und gepanzerten Körper unter dem Wasser verstecken und mich mit dunklen Glasaugen anstarren, als wüssten sie um mein Flehen. Ganz lang sam schwimmen sie heran, lautlos. Gott hat mich erhört und verhindert, dass ich mir selbst die Finger schmutzig mache.
Was nur gerecht ist, wenn man bedenkt, was Mathilde unserer Familie angetan hat, wie sie unsere Hilfe vergolten hat. Doch wenn ich wegen Mordes vor Gericht käme, könnte ich nicht all das wieder aufbauen, was Vater wegen dieser Hexe verloren hat. Ich kann es nicht leugnen, aber der Gedanke an das Schauspiel, das sich mir gleich bieten wird – ihr dürrer Körper aufgespießt auf den gewaltigen Eckzähnen der Ungeheuer –, lässt mich mehr erschauern, als es die Wollust je vermocht hat.
»Wir können jetzt nichts mehr tun«, sage ich zu den an deren und versuche, meiner Stimme einen betroffenen Klang zu verleihen. Dabei bücke ich mich wie zufällig nach ihrer Tasche und nehme sie hoch.
Die anderen starren abwechselnd hinter das Floß, wo die Krokodile sich bereit machen für ihr Festmahl, und dann nach vorn, wo Madame Kellermann blutet, um Hilfe schreit, spuckt, röchelt. Ich versuche herauszufinden, was in ihnen vorgeht, aber ich vermag ihre Gesichter nicht zu lesen. Einzig und allein das Balg scheint zu wissen, was hier geschieht, denn es schreit ununterbrochen, ohne dass irgendjemand Notiz von ihm nimmt.
Später werden wir sagen, wir wären vor Schreck wie gelähmt gewesen, und ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich der Einzige bin, der diesen unglaublichen Kitzel genießt.
34
Rose
Obschon fast alle Rosen einen angenehmen, mehr oder weniger starken Geruch besitzen, so ist der wahre Rosenduft, den man mit geschlossenen Augen erkennt, doch nur wenigen Arten eigen. Als hervorragend in diesem Sinne gelten vor allem Rosa centifolia L. und Rosa damascena Mill.
P aula schwamm wieder und wieder auf das Floß zu. Du
schaffst das, befahl sie sich, probier es noch einmal.
In diesem Moment sprang Villeneuve so ungeschickt ins Wasser, dass er fast auf ihr gelandet wäre.
»Was machen Sie denn da?«, brüllte Paula.
»Ihnen helfen, allein kommen Sie da doch nicht hoch.«
Jetzt wurde die Stange von Morten über das Wasser gehalten, und Villeneuve strampelte darauf zu wie ein Hund, den man ins Wasser geworfen hat. So einen Schwimmstil hatte Paula noch nie gesehen. Er griff nach der Stange, aber auch er tat sich schwer damit, die Stange zu erwischen, verfehlte sie und wurde von der Strömung mitgerissen, an Paula vorbei.
»Schwimmen Sie«, schrie sie, »schwimmen Sie, in Gottes Namen!«
Villeneuves Kopf tauchte unter Wasser, und er hing wie eine leblose Puppe im Wasser. Paula schwamm, mit immer noch blutender Nase, zu ihm, zerrte ihn an die Wasseroberfläche, griff unter sein Kinn und hielt seinen Kopf so über Wasser. Dann sah sie sich nach dem Floß um. Nach rechts, sie mussten nach rechts. »Schwimmen Sie«, kommandierte sie. »Los, schwimmen Sie!«
»Ich kann nicht schwimmen«, keuchte er. Paula fragte nicht weiter, drehte Villeneuve auf den Rücken und schleppte ihn zum Floß, wo Morten sich bäuchlings hingelegt hatte und die Hände nach ihnen ausstreckte.
Villeneuve hatte jetzt wieder Luft, und als sie am Floß an kamen, schaffte er es, den Rand zu packen, hustete ein paarmal, dann drehte er sich zu Paula um und half ihr, sich auch festzuklammern.
»Sie nehmen Mortens Hände, und ich schiebe von unten«, schlug er vor.
»Aber halten Sie sich mit einer Hand am Floß fest, sonst ertrinken Sie noch!«, gab Paula zurück. Dann griff sie nach Mortens Händen, während Villeneuve sie an den Knien packte und hochschob. Als sie wieder auf dem Floß war, ließ Morten sie sofort los und schnappte sich Villeneuve. Doch der war so schwer, dass Morten immer weiter über die Floßkante rutschte. Paula warf sich auf ihn, damit er nicht ganz herunterglitt. Dann probierten sie es noch einmal, während Paula Mortens Beine festhielt, und schließlich schafften sie es, Villeneuve zurück aufs Boot zu hieven.
Erschöpft und zitternd lagen alle
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