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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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verbrannt hatte, dort lagen Reste von Reiskuchen, und es roch nach Rum. Das musste die Nordost-Ecke sein, denn sie war den Ahnen vorbehalten. Suchend sah sie sich nach dem Zugang zum Grab um. Sie zögerte, ihre Lampe zu benutzen, denn die wollte sie eigentlich nur verwenden, um das Innere des Grabes auszuleuchten. Wenn sie die hier draußen anzündete, würde man sie überall sehen können.
    Hinter sich hörte sie lautes Flattern, und als sie sich umdrehte, schrak sie zusammen. Ein ganzer Schwarm großer, bedrohlich wirkender Fledermäuse flog direkt auf sie zu. Die Tiere zeichneten sich mit ihren Flügelspannweiten von fast einem Meter deutlich vor dem hellen Mond ab. Paula schnappte nach Luft und ging unwillkürlich in die Knie, um ihnen auszuweichen, aber die Fledermäuse umflogen sie und landeten hinter ihr auf den Pampelmusenbäumen, die am Rand des Dschungels wuchsen.
    »Sehen aus wie Fledermäuse, sind aber Flughunde, und der Rote Flughund ernährt sich nicht von Blut, sondern nur vegetarisch«, raunte Villeneuve ihr zu, was Paulas Puls trotzdem nicht sonderlich beruhigte.
    »Wir sollten uns beeilen«, zischte sie und entdeckte endlich den Zugang zum Grab, das sie bei ihren Spaziergängen mit Noria nie richtig unter die Lupe hatte nehmen können, weil Noria das für viel zu gefährlich befunden hatte.
    »Hier ist es«, flüsterte sie ihm zu. Sie bedeutete Villeneuve, ihr beim Wegschieben zu helfen.
    Er packte den Stein und schob ihn zur Seite, Paula hockte sich vor das kleine Loch, zündete die Lampe an, schob sie hinein und leuchtete das kleine steinerne Häuschen aus. Direkt vor ihr lag ein Totenschädel, dann ein zerfallener roter Lamba, der um Knochen gewickelt war. Sie erkannte ein rostiges Coup-Coup, kleinere geschnitzte Gegenstände, noch mehr Knochen und Stoffreste, ein paar silberne Münzen, aber keine Blechdose.
    »Ich habe etwas gehört! Beeilen Sie sich!«
    Villeneuve rüttelte an ihrer Schulter. »Wir müssen hier weg!«
    Paula hörte nicht auf ihn und leuchtete noch tiefer in das Grabhäuschen, aber da war nichts. Keine Spur von einer Kakaodose. Das war unmöglich, sie war doch schon so weit gegangen, sie musste etwas finden!
    Doch da hörte sie es auch, das war nicht mehr nur das Rascheln eines Lemuren.
    Sie drehte sich um.
    Sie waren umzingelt von Madagassen, die sie anstarrten und deren Gesichter im Mondlicht wie versteinerte Masken wirkten. Die angelegten Speere verschlugen Paula den Atem, und sie dachte sofort an wilde Geschichten über vergiftete Speerspitzen. Direkt vor ihr stand die Dorfvorsteherin Rakotovao, sie schüttelte den Kopf und sagte in sehr stockendem Französisch zu Paula und Villeneuve, wie enttäuscht sie von ihnen sei.
    Während Paula überwältigt und sprachlos vor Angst war, begann Villeneuve sofort mit Rechtfertigungen, wurde aber von Rakotovao mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen gebracht.
    »Sie haben nichts von Ihren Ahnen gelernt, das ist sehr bedauerlich«, sagte Rakotovao zu Paula und schüttelte den Kopf. »Die Krokodile haben Sie doch nicht verschont, damit Sie dann erneut unsere Ahnen beleidigen!«
    »Er hat damit nichts zu tun!« Paula musste alles tun, um Villeneuve da rauszuhalten. Er war dagegen gewesen, sie mussten ihn laufen lassen. Sie versuchte sich zu beruhigen, zu denken, sich an französische Vokabeln zu erinnern, aber in ihrem Kopf und in ihrem Körper herrschte Aufruhr. »Die ser Mann hat mich nur begleitet, aber ich habe als Einzige dieses Grab berührt.«
    »Wir werden sehen.« Die Dorfvorsteherin nickte ein paar jungen Männern zu, die das Grab sachkundig verschlossen. Dann machte sie sich daran, Paula un d Villeneuve zu durch suchen, sie nahm ihr auch die Ledertasche mit Mathildes Buch und die Wasserflasche ab. Villeneuve jedoch durfte seine behalten.
    »Was passiert denn jetzt?«, fragte Paula. »Werden Sie mich die Klippen hinunterspringen lassen?«
    Rakotovao lächelte, sodass man ihre zahlreichen Zahnlücken gut sehen konnte. »Nein, so barbarisch wie Ranavalona I. sind wir nicht mehr. Wir haben entschieden, Ihnen eine faire Chance zu geben.«
    »Ja?« Paula zitterte am ganzen Körper.
    »Den Mann hier jagen wir nur fort. Aber für Sie werden wir Gott befragen.«
    Paula hörte, wie Villeneuve neben ihr entsetzt aufstöhnte. »Was heißt das?«, fragte sie ihn.
    »Wenn ich ihr Französisch richtig verstanden habe, dann werden sie ein Gottesurteil durchführen.«
    »Aber Gottesurteile hat Ranavalona II. verboten.«
    »Das scheint hier

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