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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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eng an sich gepresst hatte, begann zu protestieren, sie lockerte ihren Griff und betrachtete ihn im Halbdunkel des Zeltes. Wenn sie dieses elende Gottesurteil nicht überlebte, was passierte dann mit ihm? Sie streichelte sein Gesicht. Wo zum Teufel war Noria, was hatte sie veranlasst, Nirina mutterseelenallein zurückzulassen? Hatten die Leute aus dem Dorf sie dazu gezwungen? Und wo war Morten?
    Paula streckte sich auf ihrer Matte aus, aber sie konnte nicht still liegen bleiben, sie war viel zu aufgewühlt und musste sich bewegen. Mit Nirina im Arm stand sie auf und ging nach draußen, wo ein junger Mann sie mit seinem Speer sofort wieder in ihr Zelt zurückdrängte. Wütend pro testierte Paula, aber als die Speerspitze auf sie gerichtet wurde, gab sie klein bei und hockte sich wieder auf ihre Matte. Sie wünschte sich ihre Reisegefährten her, Noria, damit sie mit ihren Bewachern redete und herausfand, was hier eigentlich gespielt wurde, und zu ihrer Überraschung wünschte sie sich auch Villeneuve, damit er ihr in seiner trockenen Art versicherte, dass sie das mit dem Erbrechen sicher perfekt hinbekäme.
    Sie schaukelte mit Nirina auf dem Arm vor und zurück, um sich selbst zu beruhigen. Aber immer wieder drängte sich ihr die Frage auf, wo Morten, Villeneuve und Noria waren. Und woher hatte Rakotovao von ihrer nächtlichen Aktion gewusst? Die Dorfvorsteherin hätte doch niemals so schnell mit einem solchen Aufmarsch von bewaffneten Männern auftauchen können.
    Irgendetwas war hier faul.

43
    Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
    E in herrlicher Anblick, diese alte Blechdose, fast möchte ich sagen, das Schönste, was ich je gesehen habe. Verrostet zwar, aber doch einwandfrei zu erkennen. Van Houten-Kakao. Und wie schwer diese Dose war! So verlockend schwer. Am liebsten hätte ich den Deckel sofort abgemacht und einen Blick hineingeworfen, aber Noria drängte zur Eile. Später, sagte sie, und damit hatte sie recht. Das Gold hat uns beflügelt, und wir sind marschiert wie junge Spartaner auf dem Weg in die Schlacht, und nun haben wir es bei Tagesanbruch schon fast geschafft. Oder besser gesagt, ich habe es schon fast geschafft, denn ich werde natürlich allein nach Réunion reisen.
    Es war geradezu lächerlich einfach. Noria hat der Kellermann das falsche Grab gezeigt, so konnten wir in aller Ruhe das richtige plündern, während sie fort war. Und ich habe dafür gesorgt, dass die Kellermann bei ihrer Grabschändung von Rakotovao erwischt wird.
    Rakotovao ist eine kluge Frau, sie war zuerst sehr misstrauisch und wollte wissen, warum ich eine Europäerin an sie verrate, aber ich konnte ihr glaubhaft versichern, dass auch Christen nichts davon hielten, Gräber auszurauben. Eine Rolle, die ich mit größter Entrüstung spielen konnte, weil ich mich innerlich köstlich darüber amüsierte, dass wir in genau der gleichen Zeit ja das Grab der Rakotovaos ausrauben würden. Schwieriger wurde es, als Rakotovao mir schilderte, dass der Kellermann das Tanguin-Gottesurteil blühen würde, denn da wechselte mein Amüsement zu ungezügelter Freude, und die hätte beinahe meine Glaubwürdigkeit beschädigt. Ich musste mich sehr beherrschen und Zuflucht zu christlichen Allgemeinplätzen nehmen, um eini germaßen bestürzt zu wirken. Das Heucheln von Mitleid und Vergebung kam mir nur stockend von den Lippen, und es war mein großes Glück, dass in diesem Augenblick ein Mann, dessen Frau im Kindbett lag, dringend nach der Rakotovao verlangte.
    Doch dann beschlichen mich Zweifel, ob Rakotovao es wirklich wagen würde, an einer Fremden ein Gottesurteil zu vollstrecken, und deshalb habe ich – vor dem Hintergrund, dass ich ja bald reichlich mit Gold versorgt sein werde –mein letztes Geld für einen berittenen Boten ausgegeben, der einen Brief von mir an die Königin persönlich übergeben wird. Einen Brief, aus dem deutlich hervorgeht, wer ein Gesandter des Kaisers ist und wer nur darauf aus war, dem Land das Gold zu rauben. Und als Beweis habe ich den Brief hinzugefügt, den Mathilde an Edmond geschrieben hat. Ich werde längst auf dem Weg nach Réunion sein, wenn der Premierminister dann seine Häscher aussendet. Denn dass er so reagieren wird, liegt auf der Hand. Wie Madame Kellermann so treffend festgestellt hat, ist der kleine Mann eitel und wird nicht zögern, diese Schmach zu rächen.
    Diese Unternehmungen musste ich vor Noria verschwei gen, weil sie zwar das Gold haben, aber die Kellermann nicht in Gefahr bringen wollte. Und

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