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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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niemand zu wissen.«
    »Ist ein Gottesurteil so etwas, wie es die Inquisition im Mittelalter angewendet hat?« Paula zitterte immer noch, aber jetzt breitete sich eine merkwürdige Ruhe in ihrem Körper aus, und gleichzeitig wurde ihr schlecht. Bilder von un schuldigen Frauen schossen durch ihren Kopf. Frauen, denen man Steine umgebunden hatte, um sie dann so bepackt in Brunnen oder Seen zu werfen. Wenn sie untergingen, dann waren sie unschuldig. Wenn sie wieder hochkamen, dann waren sie Hexen und wurden verbrannt. Nein, so etwas gab es hier nicht, da war sie sicher. Aber dann fiel ihr ein, dass Ida Pfeiffer in ihrem Reisebericht auch so etwas erwähnt hatte, aber das war zu Zeiten Ranavalonas der Schrecklichen gewesen. »Villeneuve, nun reden Sie schon.«
    »Nicht alles, was man sich über Madagaskar erzählt, stimmt auch.«
    »Was, verdammt, haben Sie gehört?«
    Fünf junge Männer kamen auf Villeneuve zu und führten ihn weg.
    Villeneuve wehrte sich, boxte einem der Männer in den Bauch, und als der zusammensackte, nahm er sich den nächsten vor. Rakotovao rief ihren Männern etwas zu, woraufhin sie ihre Speere hoben und auf Paula richteten. Da hörte Villeneuve sofort auf, sich zu verteidigen, und ging mit den Männern mit, die ihn vor sich hertrieben wie Vieh. Er rief Paula zu, dass sie keine Angst zu haben brauchte, was ihm einige zusätzliche Rippenstöße bescherte. Trotzdem hörte er nicht auf und versprach wiederzukommen, was ihm einen so heftigen Schlag in den Rücken einbrachte, dass er zusammensackte.
    »Villeneuve!«, schrie Paula panisch. »Was habt ihr mit ihm vor?«
    Rakotovao lächelte wieder ganz freundlich. »Wir werden ihm nichts tun, denn wir wissen, dass er unschuldig ist, was man von Ihnen nicht behaupten kann.«
    Mit einem Nicken brachte Rakotovao ihre Männer dazu aufzubrechen, sie nahmen Paula in ihre Mitte, dann liefen sie schweigend los. Paula fragte sich, wo man sie hinbringen würde. Ein Gefängnis gab es hier nicht, genauso wenig wie Ställe, nur winzige Hütten, die aus lediglich einem Raum bestanden.
    Nach zehn Minuten wusste sie, wo der Weg hinführte, man brachte sie zurück in ihr Zelt, was ihr große Hoffnung gab. Vielleicht würde man sie dort freilassen, so wie Villeneuve.
    Schon von Weitem hörte sie Nirina wütend schreien, und sie fragte sich, warum ihn Noria nicht beruhigen konnte. Je näher sie kamen, desto verzweifelter hörte sich Nirina an. Kurz bevor sie die Zelte erreicht hatten, blieben die bewaffneten Männer stehen und warteten darauf, was die Dorfälteste nun tun würde. Sie spähte in jedes Zelt, nickte zufrieden, brachte dann Nirina aus Paulas Zelt mit und reichte ihn Paula.
    »Bringen Sie ihn zum Schweigen.«
    Paula drückte ihn an sich und wusste nicht, wer von ihnen beiden mehr zitterte. »Schsch«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »alles wird gut, alles, alles wird gut.«
    Dann durfte sie mit Nirina in ihr Zelt gehen, wo sie bleiben sollte, bis Rakotovao herausgefunden hatte, wann der perfekte Zeitpunkt für ihr Gottesurteil war. Am Eingang des Zeltes drehte sich Paula um und wollte wissen, wie denn das Gottesurteil ablaufen würde. Nachdem Rakotovao es ihr erklärt hatte, krampfte sich Paulas Magen zusammen, und sie taumelte in ihr Zelt, wo sie auf ihre Matte sank, Nirina immer noch eng an sich gepresst. Ich muss klar bleiben, muss nachdenken, sagte sie sich. Bis zu dem Gottesurteil wird mir wahrscheinlich nichts geschehen. Ich könnte mit dir fortlaufen, flüsterte sie dem Kleinen ins Ohr. Sie befahl den Stimmen in ihrem Kopf, die sich hämisch darüber ausbreiten wollten, wie typisch das alles von ihr gewesen war, wie dumm und vorhersehbar, still zu sein, und versuchte sich zu konzentrieren.
    Rakotovao hatte es ihr ganz genau geschildert. Sie würde min destens zwei Tage nichts zu essen bekommen und streng bewacht werden. Wenn die Zeit gekommen war, würde man den hochgiftigen zerriebenen Samen des Tangenabaumes auf drei Stückchen Hühnerhaut verteilen, diese würden ihr zusammengerollt in den Mund geschoben, und sie musste sie schlucken. Und nur wenn sie alle drei Teile unversehrt herauswürgen würde, ohne sich in die Hosen zu machen oder in Krämpfe zu verfallen, nur dann bedeutete dies, dass man sie zu Unrecht angeklagt hatte. Aber alle drei Stücke Hühnerhaut mussten unversehrt wiederkommen.
    Ihr Leben hing also davon ab, ob sie sich richtig übergeben konnte. Wenn ihr nicht so elend gewesen wäre, hätte sie darüber lachen müssen.
    Nirina, den sie

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