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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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eines der vielen unwahren Gerüchte, die über Madagaskar im Umlauf waren.
    »Worüber wird die Königin bei ihrer Ansprache reden?«, fragte Paula.
    Noria zuckte mit den Schultern. »Über ihre Ahnen, über das, was sie sich für das Königreich der Merina und für Madagaskar wünscht …«
    »Und was wünscht sich die Königin?«
    »Bestimmt eine Kirche für ihren anglikanischen Glauben«, mischte sich Morten ein.
    »Und Medizin für die Menschen.« Villeneuve klang plötzlich wieder optimistischer.
    »Und wie könnte man das neue Jahr schöner anfangen, als mit zwei solchen Projekten.«
    Er hat recht, dachte Paula, die verstand, auf was er hinaus wollte. Wir wollen eine Audienz. Wir brauchen eine Audienz, und wir müssen eine bekommen. Und der Gedanke, dass Ida Pfeiffer es geschafft hatte, sogar von Ranavalona der Grausamen empfangen zu werden, obwohl diese Schreckensherrin Europäer zum Frühstück verspeist haben sollte, ärgerte Paula.
    Nach der langen Reise von Europa hierher, dem ewigen Warten auf Reisegefährten und nach allem, was sie auf dem Weg dann durchgestanden hatte, würde sie nicht unverrichteter Dinge umkehren.
    Und die Einzigen, die ihr helfen konnten, waren die Königin und der Premierminister. Wie sie nach ihren endlosen Amtsgängen in der Hauptstadt nun definitiv wusste, gab es keine Behörde und auch kein Grundbuch, die ihr verbindlich Auskunft hätten geben können. Sie war müde und wollte endlich an ihrem Ziel ankommen. Warum nicht Zuflucht zu einer List nehmen, zu einer klitzekleinen Lüge, die niemandem wehtat?
    »Warum verraten wir denn Ranavalona II. nicht endlich«, Paulas Herz klopfte deutlich schneller, »dass wir Abgesandte des deutschen Kaisers sind, mit Geschenken zum Neujahrs tag?« Sie war überrascht, wie leicht ihr diese Ungeheuerlich keit über die Lippen gegangen war. Du solltest Hochstaplerin werden, statt dich mit Parfüms zu beschäftigen, fand ihre innere Stimme.
    »Sind Sie das denn?« Noria sah misstrauisch von einem zum anderen, und Paula konnte es ihr nicht verdenken. Kaiserliche Abgesandte sahen sicher anders aus, prunkvoller, prächtiger.
    »Nun, wir reisen inkognito.« Lázló, der seine gute Laune wiedergefunden hatte, warf Paula einen anerkennenden und verschwörerischen Blick zu.
    »Inkognito?« Verwirrt sah Noria zu Paula und von Paula zu Morten.
    »In geheimer Mission«, erklärte Paula.
    »Warum denn geheim?«
    »Weil …« Paula gab sich einen Ruck. »Weil der deutsche Kaiser sehr an einem Handelsabkommen mit Madagaskar interessiert ist.« Das klang in ihren eigenen Ohren höchst unglaubwürdig, und sie erwartete fast, dass Noria in lautes Gelächter ausbrechen würde, aber da räusperte sich Villeneuve und nickte bestätigend. »Wenn der Kaiser das öffentlich zugeben würde, bekäme er Schwierigkeiten mit den Franzosen und Engländern, die sich hier bereits recht heimisch fühlen.« Ich würde ihm glauben, dachte Paula, er wirkte ungemein überzeugend.
    Noria biss sich auf ihre schönen Lippen. »Rainilaiarivony, der Premierminister, wird sicher Beglaubigungsschreiben sehen wollen …«
    Villeneuve nickte wieder. »Selbstverständlich, die werden wir der Königin dann zum gegebenen Zeitpunkt vorlegen.«
    Selbst Paula war nahe dran, ihm zu glauben, zumindest fragte sie sich einen Moment lang, ob Villeneuve wirklich so etwas in der Tasche hatte. Aber dann erschien es ihr höchst fragwürdig, keiner der drei Männer hatte in Nosy Be von einer solchen Mission erzählt. Im Gegenteil, Morten hatte sie im Bordell getroffen, Lázló war schwer verletzt im Lazarett aufgetaucht, und Villeneuve glaubte zwar, sie hätten sich bei einem seiner Besuche im Lazarett kennengelernt, aber sie hatte ihn schon sehr viel früher gesehen. In der kleinen Marienkapelle am Strand, wo sie ihn dabei beobachtet hatte, wie er eine Kerze angezündet und die Flamme so lange angestarrt hatte, bis sie völlig herabgebrannt war. Dann hatte er sich plötzlich die Nase geschnäuzt und die kleine Kirche so schnell verlassen, als wäre der Teufel hinter ihm her.
    Ihr wurde plötzlich wieder deutlich, wie wenig sie von diesen Männern wusste und darüber, was sie wirklich vorhatten. War es da nicht riskant, sich mit ihnen zu einer so großen Lüge zu verbünden? Ihrer Lüge!
    Was, wenn ihre Reisegefährten ein Attentat auf die Königin geplant hatten oder etwas ähnlich Schreckliches? Dann gehörte sie dazu. Sie ließ ihren Blick über die drei Männer schweifen. Mortens freundliches Gesicht

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