Die Insel des Mondes
ihnen, dass sie die Zelte aufbauen sollten, dann versenkte er einen strafenden Blick in Paulas Augen. »Und jetzt sollten wir uns hinlegen. Morgen steht uns Großes bevor.«
Zustimmendes Gemurmel machte sich breit, und Paula verstand, was das bedeutete. Die Männer wollten nicht zurück. Also musste in dieser Nacht eine glaubwürdige Urkunde erstellt und das Siegel des Kaisers gefälscht werden.
Während die Träger die Zelte aufbauten und Noria ein Feuer zum Kochen entfachte, sammelten sie sich an einem Felsen, wie um die Aussicht zu genießen.
»Das ist doch nur eine leere Drohung«, ließ sich Morten vernehmen.
»Das glaube ich nicht, die Madagassen haben es nicht nötig, den Europäern in den Arsch zu kriechen.« Lázló legte seine schöne hohe Stirn in Falten. »Und unser Tod wäre in diesem Zusammenhang eine hübsche Anekdote, die bei den Franzosen und Engländern ihren Ruf dahingehend festigen würde, dass mit den Madagassen nicht zu spaßen ist.«
»Wir wollen mit der Königin sprechen, dann sollten wir uns auch um die Urkunde kümmern.« Villeneuve nahm seinen Helm ab und massierte seinen Kopf. »Lázló, Sie suchen nach einem Stückchen Holz, das Sie zu einem Siegel schnitzen, und Sie, Madame Kellermann, bringen mir Papier, Federhalter und Tinte. Und Sie, Morten, Sie beten einfach.«
»Aber das können wir doch nicht machen, nicht, wenn es so gefährlich ist«, widersprach Paula.
Alle drei starrten sie an. »Wir können nicht zurück, ich bin sicher, allein der Versuch einer derartigen Täuschung würde bestraft werden.« Morten und Lázló nickten zu Villeneuves Worten wie mechanische Spielfiguren.
Paula schluckte jeden weiteren Widerspruch hinunter, weil ihr keine Argumente einfielen, die Villeneuve hätten widerlegen können. Sie drehte sich um und machte sich widerwillig daran, in ihren Truhen nach den gewünschten Dingen zu suchen.
Sie wartete, bis die Zelte aufgebaut waren, dann packte sie alles zusammen und ging in Villeneuves Zelt, das sie vorher noch nie betreten hatte.
Überrascht betrachtete sie seine geradezu luxuriöse Einrichtung. Hier gab es Klappstühle, einen Teppich und einen Tisch, an dem Lázló schon mit einem Stückchen Holz und einem Messer saß und auf Anweisungen wartete. Morten hockte neben Lázló auf dem Boden, sodass noch ein Klappstuhl für Paula übrig war. Es lag eine merkwürdig heitere, geschäftige Stimmung in der Luft, als wären ihre Reisegefährten Kinder, die sich auf ihren Geburtstag freuten. Aber das war falsch, schließlich stand ihrer aller Leben auf dem Spiel.
Weil niemand einen Vorschlag zur Gestaltung des Siegels hatte, schlug Paula vor, den Reichsadler von einem Fünfmarkstück als Vorlage zu verwenden, womit alle einverstanden waren. Dann überlegten sie gemeinsam, welchen Text sie schreiben sollten. Es stellte sich heraus, dass Lázló darin sehr viel begabter war als Villeneuve und Paula. So bestand er darauf, dass sie alle wohlklingende Titel haben müssten, um ihre Stellung deutlich zu machen. Lázló hatte die schönste Schrift, sodass er schließlich auch die Feder schwang:
Wir, Wilhelm, Deutscher Kaiser durch Gottes Gnaden
An die durchlauchtigste Königin Ranavalona II. von Madagascar
Mit diesem Schreiben möchte der Unterzeichner allerhöchstselbst diese seine vier Unterthanen, als da wären Paula-Victoria Baronin von Kellermann, Fürst Lázló Kalasz aus Siebenbürgen, Graf Henri Villeneuve vom Hofe sowie unseren dänischen Verbündeten im Glauben und in Realiter Bischof Morten Wahlström, allergnädigst und in dero geheimer Missionem empfehlen, ob dero wir, unsere heiligste kaiserliche Majestät incognitem in Erfahrung zu bringen wünschen, ob dero allerhöchste madagassische Majestäten an einem Abkommen Interesse finden könnten, welches in beidseitigem Einvernehmen dem Handelsflusse unser beider Länder dienlich sein solle. Denn aus sicherer Quelle ging uns die Nachricht zu, dass die französische Regierung im November d. J. ihre Geneigtheit zu gemeinsamer antideutscher Politik mit den Engländern sondiert habe, daher haben wir es als nothwendige Aufgabe erkennen müssen zu ermitteln, ob die Besorgnisse für die Sicherheit des Friedens auf den Weltmeeren, welche wir mit Widerstreben aus den erwähnten Umständen entnehmen mussten, auch von anderen befreundeten Mächten getheilt würde.
Ein jeglicher der hier aufgeführten Reisenden hat die Befugnis, in meinem allerhöchsten Auftrage zu sprechen. Wir, unsere kaiserlichen Majestäten,
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