Die Insel des Mondes
ging. »Das scheint mir ein weitaus größeres Problem zu sein …«
Unverschämt, fand Paula, typisch! Noria erzählte auf seinen Wunsch hin von einem Mann, der als Heiliger verehrt wurde, und Villeneuve machte Witze darüber.
Aber Noria war nicht gekränkt, sie warf Paula einen listigen Blick zu. »Andrianapoinimerina war ein sehr kluger Mann, und deshalb ließ er auf den zwölf heiligen Hügeln, die um Antananarivo liegen, jeweils einen Palast für jede seiner Frauen bauen und besuchte sie reihum.«
Villeneuves grimmiger Gesichtsausdruck verzog sich doch tatsächlich zu einem Lächeln.
»Aber Andrianapoinimerinas erste und somit Hauptfrau lebte mit ihm ständig hier in Ambohimanga.«
»Ich sehe immer noch keine Häuser.« Lázló klang, als täten ihm die Füße weh. »Sind wir hier wirklich richtig?«
Paula fragte sich, warum Villeneuve ausgerechnet Lázló als Assistenten mitgenommen hatte.
»Ambohimanga ist durch eine Mauer mit sieben Toren gesichert, und es ist verboten, den Wald rund um den blauen Hügel abzuholzen oder niederzubrennen, deshalb wirkt es von Weitem so, als wäre der Hügel unbewohnt. Aber wenn Sie genau hinschauen, dann sieht man dort drüben …«, Noria deutete auf eine Ansammlung von Palmen, »… die Hütten.«
Und nach einer weiteren Biegung hatten sie tatsächlich schon ihr Ziel erreicht. Sie standen vor der Festungsmauer, die man wegen der braunroten Farbe der Ziegel, die sich kaum von der Erde abhob, von Weitem nicht sehen konnte.
Das Tor war ein riesiges rundes Loch, das durch einen Felsbrocken verschlossen war.
Noria verhandelte mit den beiden Wachmännern, die über die Mauer zu ihnen herunterschauten. Alle drei wurden ständig lauter, die Wachmänner schüttelten ihre Köpfe und schwenkten ihre Gewehre, aber Noria ließ sich nicht einschüchtern, und es war nicht zu erkennen, wer von ihnen gewinnen würde.
Paula ließ sich auf einer Felsplatte im Schatten eines Hibiskusbaums nieder, und nach einer halben Stunde gesellten sich Morten und Villeneuve zu ihr. Nach einer weiteren halben Stunde setzte sich auch Lázló zu ihnen, und die Männer begannen Wetten darüber abzuschließen, ob sie heute noch durch das Tor kämen oder nicht.
Schließlich kam Noria mit hängenden Schultern zu ihnen zurück.
»Wegen des heiligen Fandroana-Badefestes dürfen heute keine Fremden in die Palastanlage.«
»Das ist doch sicher nur eine Frage des Geldes!« Ville neuve schürzte die Lippen und verdrehte die Augen, als wäre sie etwas schwer von Begriff.
Noria schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Alle Tore wurden verschlossen, nachdem die Jungfrauen das Wasser in die heilige Badewanne gefüllt haben, und die Tore werden erst morgen früh wieder geöffnet, wenn die Königin ihre Kabary, die Neujahrsansprache, halten wird und danach das große Fest stattfindet.«
»Ja, dann also morgen!«, Morten klang erleichtert.
»Nein, auch morgen haben Fremde keinen Zutritt.«
Villeneuve stöhnte und schüttelte ungehalten den Kopf.
Mora-Mora, dachte Paula, Geduld war auch nicht gerade eine Stärke des Arztes.
»Aber ich habe auf Nosy Be immer wieder gehört, dass Ranavalona II. und Premierminister Rainilaiarivony«, Paula triumphierte innerlich, dass es ihr gelungen war, seinen Na men ohne Stottern hervorzubringen, »sich über europäische Besucher freuen und sie sehr willkommen heißen.«
»Ja daran ist etwas Wahres, doch man erwartet von Ausländern, dass sie unsere Traditionen achten und ihnen Respekt entgegenbringen, und Ambohimanga ist ein heiliger Ort.«
»Und doch gibt es Reisende, die sich dort aufgehalten haben und sogar darüber Bücher geschrieben haben. Zum Beispiel Ida Pfeiffer, eine Österreicherin, die bei Ranavalona I. zu Gast war.«
Noria seufzte. »Wie ich bereits sagte, gibt es Ausnahmen. Sie dürfen das nicht persönlich nehmen. Es ist nur gerade kein guter Zeitpunkt für Europäer.«
»Dann verkleiden wir uns eben als Merina«, schlug Morten vor, was angesichts seiner blonden Haare alle zum Lachen brachte und die Spannung etwas löste.
»Es kann nicht sein, dass wir die lange Reise auf uns genommen haben, um hier zu scheitern.« Villeneuve trank aus seinem silbernen Flachmann und ließ ihn reihum gehen, und sogar Paula fühlte sich jetzt reif für Rum. Sie würde Villeneuve nicht daran erinnern, dass Noria ihnen schon in Antananarivo gesagt hatte, ein Besuch in Ambohimanga wäre für Europäer nahezu unmöglich. Sie hatte genauso wie er gehofft, es wäre nur
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