Die Insel des Mondes
Großmutter zu erzählen, die mit ihrem Mann hier am Hofe gewesen war, um Radama I. zu porträtieren.
Paula spürte, wie sich wieder alle am Tisch zu ihr drehten und sämtliche Gespräche erstarben. Lázló betrachtete sie wie einen seltenen Schmetterling, und der Premier schien plötzlich auf der Hut zu sein.
»Ein beeindruckendes Bild hat Ihr Großvater da erschaffen«, sagte die Königin und wollte mehr darüber wissen. Sie war äußerst bestürzt zu erfahren, dass niemand wusste, wo Paulas Großmutter gestorben war und wo ihre Gebeine lagen, und sie hatte allergrößtes Verständnis, dass Paula sich aufgemacht hatte, mehr darüber herauszufinden. Ja, sie beglückwünschte die Großmutter zu so einer guten Enkeltochter. »Es wäre das Schlimmste, was uns Madagassen geschehen könnte, wenn wir in fremder Erde liegen müssten und sich niemand um uns kümmerte. Ich werde veranlassen, dass morgen früh zum Sonnenaufgang ein Opfer für Ihre Großmutter gebracht wird.«
»Das ist zu gütig, Euer Majestät.« Paula spürte, dass die außerordentliche Aufmerksamkeit vonseiten der Königin nicht jedem am Tisch gefiel.
Morten, der auf der anderen Seite von ihr saß, atmete schwer. »Ein Opfer, und so was nennt sich dann eine christliche Königin«, zischte er.
»Schsch, bitte, Morten, man könnte Sie hören!«
»Aber es ist doch wahr, sie feiert das Badefest wie eine Heidin und jetzt auch noch Opfer, was denn noch alles? Das spottet dem Herrn.«
Paula legte ihre Hand auf Mortens Arm. »Bitte, ich wäre froh, wenn ich mehr über meine Großmutter erfahren könnte, und all mein Beten hat mich bisher nicht einen Schritt weitergebracht.«
In diesem Augenblick traten Musiker in den Speisesaal, die zusammen mit einer Sing- und Tanzgruppe auftraten. Fünf Mädchen, in lange gelbe Gewänder gehüllt, mit turban ähnlichen Stoffgebilden auf dem Kopf und einem Tuch um die Taille, das während des fröhlichen, lauten Liedes abgenommen und für alle möglichen Aktivitäten eingesetzt wurde und Paula an die Tänze bayerischer Trachtenvereine erinnerte, bei denen die Frauen auch bunte Tüchlein in der Hand hielten und herumschwenkten. Die Reisplatten und das übrige Fleisch wurden abgeräumt und dafür silberne Platten mit Früchten hereingebracht. Ananas, Bananen, Pampelmusen, Kokosnüsse, Cherimoyas, Mangos und Papayas. Aber auch Früchte, die Paula noch nie gesehen hatte, große hellgrüne, melonenartige Früchte mit Stacheln, die sie an mittelalterliche Morgensterne denken ließen, herzförmige rote Früchte und orange, pflaumengroße.
Außerdem wurden am Tisch in Rohrzucker gewälzte Ananas- und Bananenscheiben mit Rum flambiert, was ein köstliches Aroma von Karamell und herbsüßem Fruchtfleisch über dem Tisch verbreitete, von dem Paula sich wünschte, sie könnte es festhalten und in ein Parfüm verwandeln.
Die Königin, die bisher kaum etwas zu sich genommen hatte, verspeiste eine Cherimoya, zwei frittierte Ananasschiffchen und dann einige der flambierten Früchte, die ihr Lázló immer wieder reichte und so ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte. Paula begann sich zu entspannen. Morgen früh also, dachte sie, morgen früh habe ich dann Gelegenheit, mit der Königin über das Grundstück von Mathilde zu reden.
»Ich möchte wirklich wissen, was dieser Mann im Schilde führt.« Morten beäugte Lázló, als wäre er ihm nicht geheuer und als würde ihn genau das sehr zornig machen.
»Er ist mein Assistent«, ließ sich Villeneuve über Paula hinweg vernehmen.
»Und warum haben Sie ausgerechnet diesen Adonis als Assistenten ausgewählt?«, fragte Morten
»Weil er so gut zeichnen kann.«
Paula betrachtete Lázló und stellte sich vor, wie er mit dem griesgrämigen Villeneuve Pflanzen abzeichnete, aber es gelang ihr nicht. »Mehr braucht es nicht, um Ihr Assistent zu werden?« Morten klang ungläubig, und Paula erinnerte sich daran, dass Villeneuve vorhin gesagt hatte, Lázló hätte unbedingt mitkommen wollen.
»Nein.« Villeneuve hörte sich schon wieder genervt an.
»Dann zeichnet er hervorragend?«, insistierte Morten.
»Nein, das auch wieder nicht.«
»Warum trennen Sie sich dann nicht von ihm?«
»Das möchte ich gar nicht, und für den Premier gehören wir ja nun auch alle zusammen, und wenn sich einer von uns einen Lapsus erlaubt, dann wird das jeder von uns zu spüren bekommen.«
»Da haben Sie recht.« Morten stöhnte leise. »Wir sollten ihn gut im Auge behalten.«
»Kann es sein, dass Sie beide
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