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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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ihn einfach nur um seine Jugend und Schönheit beneiden?« Es musste der Wein sein, der sie solche Fragen stellen ließ.
    Morten schnaubte verächtlich, und Villeneuve schwieg.
    »Es gibt auf der Welt Wichtigeres als nur ein hübsches Frätzchen«, ließ sich Morten schließlich vernehmen. »Auf einen Mann sollte man zählen können, aber dieser Lázló erscheint mir wie Bambus, sehr geschmeidig und immer in der Lage, sich mit dem Wind zu beugen.«
    Als ob die Königin den Verdruss der beiden Männer gespürt hätte, wandte sie sich jetzt von Lázló ab und Morten zu, den Paula daraufhin freudig Luft holen hörte. Sie tupfte sich die Lippen mit ihrer Serviette ab und wünschte, das Mahl wäre endlich beendet, sie war nach diesem ereignisreichen Tag sehr müde.
    Die Königin fragte Morten, was ihn hierhergeführt hatte, woraufhin er zu einem weitschweifigen Vortrag ausholte, dem Paula nur deshalb so lange zuhören konnte, weil Morten auch im englischen alle s-Laute vernuschelte, was aus seinem langweiligen Vortrag einen schönen Singsang machte.
    Es stellte sich heraus, dass die Königin sehr genaue Vors tellungen davon hatte, was Missionare in ihrem Land leisten sollten. Sie erlaubte ihm huldvoll, im Nordosten des Landes eine Missionsstation aufzubauen, weil dort noch sehr viele ungebildete Menschen hausten, die noch nie von Christus gehört hatten. Aber im Gegenzug verlangte sie, dass dazu eine Schule gehören musste, die für alle offen sein sollte. Denn ihr Plan war es, noch in diesem Jahr die Schulpflicht für alle Kinder ab sieben Jahren einzuführen. Das überraschte Paula, denn in Frankreich, dem Land ihres Großvaters, hatte man das gerade erst vor zwei Jahren geschafft.
Außerdem verlangte die Königin, dass in der Missionsstation auch Englisch und Französisch unterrichtet wurde und die Kinder Berufe lernen sollten.
    Verblüfft starrte Paula diese Königin an, von der sie gehört hatte, dass sie nur die willige, geistig eher minderbemittelte Marionette von Rainilaiarivony wäre, aber so selbstbewusst und klar, wie die Königin sprach, kam ihr das äußerst unwahrscheinlich vor.
    Dann wagte Morten es, nach finanziellen Mitteln zu fragen, und bei der Antwort der Königin musste Paula sich fast ein Lachen verbeißen. »Wir sind ein armes Land, und wenn es Gott unserem Herrn gefällt, hier mitten unter uns eine Bastion seines Glaubens zu errichten, so bin ich sicher, dass ein so gläubiger Christ wie Sie, Herr Wahlström, Mittel und Wege findet, die die Steuerlast unserer Untertanen nicht weiter vergrößern.«
    »Ein harter Knochen«, ließ sich Villeneuve so laut vernehmen, dass Paula befürchtete, die Königin könnte ihn gehört haben, und als diese sich erhob, dachte Paula, es käme zum Eklat. Sofort waren alle aufgestanden und warteten mit gesenkten Häuptern auf die Wünsche der Königin.
    Doch die verkündete nur, dass sie sich zurückzuziehen wünschte, sie nickte Paula und Morten wohlwollend zu und rauschte am Arm des Premierministers in ihre Gemächer. Nachdem die beiden weg waren, wurden die Gespräche lauter und dem Rum noch reichlicher zugesprochen.
    Paula wartete noch eine kurze Weile, dann stand sie auch auf, verabschiedete sich und ging in das Zimmer, das ihnen zum Schlafen zugewiesen worden war.
    Dort verfluchte sie ihr Kleid, das sie unbedingt ausziehen wollte, bevor die anderen kamen. Sie schlüpfte nicht wie sonst in ihren indischen Pyjama, in dem sie sich wie nackt vorgekommen wäre, sondern zog einfach ihre Reisekleider, die sie auf einer ihrer Truhen zum Lüften deponiert hatte, wieder an. Sie stellte die Schuhe griffbereit unter das Bett und legte sich dann auf die klumpige Matratze, die ihr aber nach den Nächten auf dem Boden geradezu unanständig weich vorkam. Sie seufzte wohlig und zog die bodenlangen Vorhänge vor, obwohl sie sich dahinter wie eingesperrt vorkam. Allein der Gedanke, dass die anderen sie im Schlaf betrachten könnten, reichte aus, um die Luft gar nicht so heiß und stickig zu finden. Dann versuchte sie zu schlafen. Aber die Eindrücke des Abends waren noch so frisch und wirbelten durch ihren Kopf. Kerzenflackern, blitzende Weingläser, der Elfenbeinfächer mit der schwarzen Spitze, mit dem die Königin die Kerzen in ihrer Nähe fast zum Verlöschen gebracht hatte, Lázlós Profil, Villeneuves weißer Frack, die flambierten Früchte, die Augen des Premiers, all das verwandelte sich, setzte sich neu zusammen, ging auseinander und ergab neue Bilder, bunt und schillernd

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