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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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geleitete die Königin respektvoll zu ihrem Platz und schob ihr den Stuhl unter, wie ein englischer Gentleman. Dann, auf ein Nicken seinerseits, setzten sich alle wieder hin, die Königin zückte einen elfenbeinernen Fächer, der mit schwarzer Spitze bezogen war, und fächelte sich Luft zu. Paula erkannte, dass ein Gespräch mit ihr doch nicht ganz einfach sein würde, weil der Tisch sehr breit war.
    Plötzlich war es ganz still, und man hörte nur den leisen Wind und die Insekten, die um das Haus summten.
    Dann lächelte die Königin und nickte ihren Gästen freund lich zu. »Hello, welcome. What a friendly coincidence, that we celebrate this new year with newly arrived guests. This seems to me as a happy sign from the ancestors. Please enjoy your meal«, sagte sie in nahezu akzentfreiem Englisch, dann legte sie den Fächer beiseite, faltete ihre Hände, senkte den Kopf und sprach ein Gebet auf Madagassisch, dann ein Vaterunser auf Englisch. Nachdem sie fertig war, sah sie wieder auf und lächelte Paula über den Tisch hinweg an, und Paula, die erst jetzt merkte, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte, fing an, sich zu entspannen.
    Königin Ranavalona II. war genauso zierlich wie ihr Mann, doch ihre Haut schimmerte sehr viel dunkler. Ihr Gesicht wirkte dreieckig und erinnerte Paula verblüffend an Kupferstiche von traurigen Indios aus den Anden. Die Königin hatte große dunkle Augen, die ihr Gesicht dominierten, eine kurze schmale Nase und einen hübschen kleinen Mund, der von ihrem fliehenden Kinn ablenkte. Ihr schwarzes Haar war in der Art der Merinafrauen eng an den Kopf geflochten und hinten im Nacken zu zwei länglichen Flechtknoten frisiert. Ihr Körper steckte in einem Krinolinenkleid, das in Europa schon lange aus der Mode war, der Königin aber hervorragend stand. So kam ihre extrem schmale Taille gut zur Geltung, und der schwere weiß-rosa Taft brachte ihr Gesicht zum Leuchten. Paula beneidete sie allerdings nicht um die Krinoline, ihr reichten schon das Korsett und die Turnüre.
    Wie Noria es ihnen gesagt hatte, wurde zuerst Tatao, der süße Reis, serviert, dann kamen Platten mit den verschiedensten Tsakistaky, wie frittierte Teigtäschchen, gebratene Meeresfrüchte, frittierte Fische, Bananen, mit Hackfleisch gefüllte kleine Paprika, gefüllte Pfannkuchen und Reis in allen Variationen, danach gab es das Varanga. Dazu ließ die Königin französischen Rotwein reichen, sie selbst aber trank das traditionelle Reiswasser.
    Links von Paula saß Villeneuve, den sie durch alle anderen Gerüche hindurch deutlich wahrnehmen konnte, was sie von Morten, der rechts von ihr saß, nicht behaupten konnte.
    Sie war viel zu aufgeregt, um wirklich hungrig zu sein, trotzdem nahm sie von den Speisen, um nicht unhöflich zu wirken. Während sie daran herumkaute, überlegte sie, wie sie es einfädeln konnte, mit der Königin über das Grundstück ihrer Großmutter zu reden.
    »Das ist nicht der richtige Moment«, ließ sich Villeneuve vernehmen. Paula drehte ihm das Gesicht zu und war überrascht, wie nahe sie sich waren. Woher wusste er, was in ihr vorging?
    »Was für ein Charmeur!« Sie folgte Villeneuves Blick und erkannte dann, dass er von Lázló redete, der neben der Königin saß. Ein Privileg, das ihm der Premier sicher nur deshalb zugedacht hatte, weil er heute Mittag so überzeugend gesprochen hatte.
    Lázló hatte Ranavalona II. sein Gesicht sehr nah zugewendet, sodass sie zweifellos erkennen musste, wie schön er war. Dazu lächelte er herzzerreißend, und Paula dachte, dass jeder Mensch, aus egal welchem Stamm der Erde, davon bezaubert sein müsste, und tatsächlich erwiderte die Königin sein Lächeln.
    Morten grunzte so abfällig in sich hinein, dass Paula sich ihm zuwandte.
    »Eher ein Hundling als ein Charmeur!«, brummelte er.
    »Warum gönnen Sie ihm die königliche Aufmerksamkeit nicht?«
    »Ich traue ihm nicht.«
    »Aber Sie waren letztlich doch mit ihm einer Meinung, was unsere kaiserliche Gesandtschaftslüge anging.«
    »Was hätten wir denn sonst tun sollen? Aber auch ich brauche königliche Unterstützung für meine armen Heidenseelen, und jetzt sehen Sie ihn sich an!«
    Lázló lachte aus vollem Hals, jeder am Tisch sah zu ihm hin, und Paula war sicher, alle beneideten ihn.
    »Was für ein Kindskopf!« Villeneuve stöhnte leise.
    »Aber Sie haben sich Ihren Assistenten doch ausgesucht, oder?«, fragte Paula.
    »Lázló wollte unbedingt mitkommen.« Villeneuve zögerte und fügte dann

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