Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
Vom Netzwerk:
Premierminister verbringen.«
    »Sie sprechen in Rätseln, Noria.« Lázló lächelte sie aufmunternd an.
    »Sie dürfen auf keinen Fall die linke Hand des Premierministers anstarren«, erklärte Noria mit großem Ernst.
    »Warum sollten wir?«, fragte Lázló und kam damit Paula nur knapp zuvor.
    »Nun, Rainilaiarivony ist am 30. Januar 1828 geboren worden, an einem Tag, der so unheilvoll war, dass man alle diese Kinder gleich getötet oder ausgesetzt hat.«
    Paulas Leib verkrampfte sich. Obwohl sie wild entschlossen war, die Sitten und Gebräuche dieser Insel zu achten, kam ihr das barbarisch vor und machte sie wütend. Ihre Narbe begann zu pochen, als ob sie Paula an das erinnern wollte, was sie verloren hatte. Sie versuchte sich zu beruhigen, konnte es aber nicht lassen, Noria zu unterbrechen.
    »Aber so etwas Grauenhaftes macht man heute auf Madagaskar doch wohl nicht mehr, oder?«
    Noria senkte den Kopf, und Paula erinnerte sich daran, dass Noria von Missionaren aufgezogen worden war. Bisher hatte Paula gedacht, die Kinder in den Waisenhäusern hätten keine Eltern, aber dass es ausgesetzte Kinder sein könnten, darauf wäre Paula nie gekommen.
    Noria hob entschlossen den Kopf und starrte Paula angriffslustig an. »Das verstehen Sie nicht. Sie haben keine Ahnung. Es gibt Madagassen, die glauben, dass Ihr Christen Kannibalen seid, weil Ihr das Blut Christi trinkt und seinen Leib esst.«
    Lázló kicherte leise. »Aber was hat es denn nun mit der Hand des Premiers auf sich?«
    »Seine Eltern wollten nicht, dass er zu Tode getrampelt würde, was sein Schicksal gewesen wäre, und haben sich dazu entschlossen, ihm nur die ersten Glieder von Ring- und Zeigefinger der linken Hand abzuschneiden, um die Geister von ihm abzuhalten, danach haben sie ihn ausgesetzt. Mitleidige Verwandte haben ihn dann zu Mr. Griffith in die Missionsschule gebracht.«
    »Und jetzt hat dieser Mann, der eigentlich tot sein sollte, schon sechzehn Kinder.« Morten klang sehr zufrieden.
    »Seine Ahnen haben ihn eben gut beschützt. Aber er mag es nicht, wenn man auf diese Hand starrt, also vermeiden Sie das. Und jetzt sollten wir endlich los.«

9
    Citronella
    Andropogon nardus wächst in den Ebenen des Punjab und in den Nordwestprovinzen Ostindiens. Das Öl ist dünnflüssig, farblos oder schwach grünlich und von stark aromatischem, bei genügender Verdünnung melissenartigem Geruch.
    N oria führte sie in das Haus gegenüber, das den länglichen Teil des Palast-Ls bildete.
    In dem ebenerdigen Zimmer brannten zahllose Kerzen, ein Teil davon in einem großen venezianischen Kronleuchter, der über der langen Festtafel von der Decke hing, die anderen Kerzen standen rundherum auf den Buffetschränken. Und weil alle Schränke mit Spiegeln ausgestattet waren, verdoppelte, verdreifachte, nein vervielfältigte sich der Schein des Lichts, und der ganze Raum schien zu flackern. Die Tafel war mit einer weißen Tischdecke und weiß-goldenem Porzellan gedeckt und über und über mit roten, stark nach Anis duftenden Blüten geschmückt. Die Wände rundherum hatten eine dunkle halbhohe Holztäfelung, die mit Schnitzereien verziert war, darüber schimmerten japanische Seidentapeten mit einem dezenten weiß-hellroten Blumenmuster.
    In der rechten Ecke gegenüber dem Eingang befand sich ein gewaltiger Spiegel mit einem barocken Goldrahmen, der all diese Pracht noch übertrumpfen zu wollen schien und der, wie Noria ihr zuflüsterte, ein Geschenk von Queen Victoria selbst war.
    Sie waren die ersten Gäste und wurden rund um die Königin platziert. Lázló in einem schwarzen Anzug mit Gehrock durfte neben der Königin sitzen, Paula wurde ihr direkt gegenüber gesetzt, rechts von ihr Morten und links Villeneuve, der in seinem weißen Frack selbst wie ein Fürst aussah.
    Paula fühlte sich plötzlich sehr befangen, so sehr sie sich gewünscht hatte, diese Gelegenheit zu bekommen, so wenig hatte sie daran geglaubt, dass es ihr gelingen würde. Und nichts hatte sie hierauf vorbereitet. Der betäubende Duft der Blumen, das flackernde Licht, das sich in den kristallenen Gläsern und dem silbernen Besteck widerspiegelte, und der Gedanke, dass sie das allein ihrer Lüge zu verdanken hatte, brachte ihren Puls zum Tanzen.
    Und dann rauschte Ranavalona II. am Arm von Premierminister Rainilaiarivony so schwungvoll herein, dass die Kerzen zischend erzitterten.
    Alle erhoben sich und senkten die Köpfe, Paula schielte ständig zu Noria, um zu sehen, was sie tat.
    Der Premier

Weitere Kostenlose Bücher