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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Männeroberschenkel und gewunden wie Korkenzieher waren und in deren Schlingen, die knapp über dem Boden, unter den verrottenden Blättern verborgen waren, Paula bei fast jedem Schritt hängen blieb. Hier vor ihnen wucherte es nun so dicht an dicht, dass es Paula unmöglich schien, auch nur einen einzigen Schritt weiterzugehen. Es war still, selten hörte man ein zaghaftes Zwitschern, nur das elende Summen der Insekten war immer gegenwärtig.
    Die Träger unterhielten sich leise.
    »Woher wissen sie, wohin wir gehen müssen?« Paula wandte sich an Noria. »Das vor uns sieht so aus, als ob noch nie ein Mensch hindurchgekommen wäre.«
    Noria sah sie überrascht an, als ob Paula eine sehr dumme Frage gestellt hätte, was sie ärgerte, weil ihr Noria so wieso die ganze Zeit überlegen vorkam. Nie wirkte sie so erschöpft wie Paula und ihre Reisegefährten und dies, obwohl sie genau wie die Träger barfuß lief und nur mit einem Lamba bekleidet war. Und noch dazu wurde Noria nie gestochen.
    »Es gibt keinen Weg«, beharrte Paula gereizt und bereit, einen Streit anzufangen, »nicht einmal den kleinsten Trampelpfad.«
    »Der Dschungel verschlingt jede Spur in wenigen Tagen.«
    »Aber woher wissen die Träger dann, wohin wir müssen?«
    »Wir wollen ans Meer, oder?« Noria erklärte es Paula mit übertriebener Geduld, als wäre sie ein kleines Kind, was Paula nur noch mehr ärgerte.
    »Man fühlt es.« Noria nickte bekräftigend. »Auch ich fühle es, je mehr wir uns dem Meer nähern, desto mehr verändert sich der Zustand der Baumrinden und der Pflanzen. Sie verraten uns, wohin wir uns wenden müssen.«
    Ungläubig betrachtete Paula den Dschungel, ihr waren nicht die geringsten Unterschiede aufgefallen. Aber dann dachte sie an ihre Nase und daran, dass sie heute sogar in der Lage war, zu riechen, ob ein Duftöl in einem Kupfer- oder in einem Eisenkessel maceriert worden war. Und oft konnte sie sogar bestimmen, welches Fett benutzt worden war, Palmfett, Hirschtalg oder Schweineschmalz, auch wenn alles getan worden war, um es geruchsneutral zu machen.
    »Dann riechen sie, ob wir auf dem richtigen Weg sind?«, fragte sie Noria.
    Noria lächelte sie jetzt breit an. »Ich hätte es nicht so aus gedrückt, aber vielleicht ist es das.« Sie bückte sich und nahm etwas von dem Boden in ihre Hand. Es erinnerte nicht einmal entfernt an die rote Erde vom Hochland, weil dieses Häufchen viel mehr aus verrotteten Blättern, Blüten und sehr viel abgefallener, zersetzter Rinde bestand.
    Noria roch daran, dann streckte sie ihre Handfläche mit dem kleinen Erdhaufen vor Paulas Nase aus, die neugierig daran schnupperte. Unglaublich, dachte Paula, diese Erde roch wie von einem kundigen Parfümeur kreiert. Zunächst war da die modrige Kopfnote nach Pilzen, Trüffeln, um genau zu sein, danach ein Hauch Zitronengras, die Herznote bestand aus zerquetschtem Gras, Moschus, einer Prise Nelke, Rost und als Fond blieben Kampfer und Eichenmoos, vermischt mit etwas Ähnlichem wie Süßholzwurzel.
    »Aber ich rieche kein Meer.« Paula hob ihr Gesicht zu Noria.
    Verwundert zog Noria eine Augenbraue hoch. »Nicht? Wir sind nur noch etwa zehn Tage vom Meer entfernt. Und diese Schwämme auf den Baumstämmen verraten mir, in welche Richtung wir gehen müssen.« Noria zeigte nach vorn, wo die Träger gerade stehen geblieben waren.
    Paula nahm sich vor, von nun an öfter an der Erde zu riechen, und ärgerte sich, dass sie das nicht längst schon getan hatte. Sie hatte nur Ausschau nach duftenden Pflanzen gehalten, aber zu ihrem großen Erstaunen viel weniger davon entdeckt, als sie sich das ausgemalt hatte. Während sie ihre Reise in den tropischen Regenwald geplant hatte, war sie davon ausgegangen, dass der Dschungel voll prächtig blü hender und duftender Pflanzen sei, und sie war erstaunt, fest zustellen, dass es hier zwar blühende Pflanzen gab, doch entweder hatten sie viele Blüten, dufteten aber nicht, so wie die meisten Orchideen. Oder es waren Bäume wie die Schirmakazien, die gelbrote Blüten hervorbrachten oder Sträucher wie der flammend rote, manchmal auch sonnengelbe Hibiskus, aber so etwas Leuchtendes wie Lavendel- und Rapsfelder oder Rosen- und Tulpenbeete, die in Massen aus der Erde wuchsen, das gab es nicht. Und die Orchideen waren meistens weißlich oder zartgelb oder bräunlich mit einem Hauch von Rot, und viele hatten so kleine oder unscheinbare Blüten, dass man sie leicht übersehen konnte.
    Die Träger winkten Noria und erklärten

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