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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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einer Kolonne hintereinander her, jeder nur davon absorbiert vorwärtszukommen. Und alle murrten, wenn Villeneuve einen Halt einlegen wollte, weil er glaubte, eine besondere Pflanze entdeckt zu haben. In den letzten Tagen war das aber nur sehr selten vorgekommen, und Paula hatte den Verdacht, dass er es ihr zuliebe aufgegeben hatte und plante, erst später, nachdem sie die Plantage erreicht hatten, mit Lázló genauer zu suchen.
    Aber das waren nur Vermutungen, man redete nicht mehr viel. Beim Essen waren sie zwar alle zusammen, doch außer Mortens Dankesgebet wurde nichts gesprochen.
    Jetzt wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, dachte sie und überlegte, wie sie beginnen könnte.
    »Sie müssen sich zusammenreißen und mehr essen«, sagte Villeneuve und sah ihr direkt in die Augen. Seine Pupillen waren groß, fast als ob er Fieber hätte.
    Paula war zu erschöpft, um ihm eine pampige Antwort zu geben, denn natürlich ging ihn das nichts an. »Ich tue mein Bestes.«
    »Mir ist schon klar, dass Sie Besseres gewohnt sind …«, begann er und reizte sie nun doch wieder.
    »In der Tat, meine Eltern haben drei Köchinnen beschäftigt …« Besonders nachdem Vater tot war, dachte Paula, als ihre Mutter das letzte Geld in ihre Verheiratung gesteckt und sie nur noch Haferbrei in allen Variationen gegessen hatten.
    Aber diesmal ging er nicht auf sie ein. »Ihre Kleider umschlottern Sie. Oder sind Sie krank?«
    »O nein, ich fühle mich prächtig.« Ja, so wie sich ein alter Hund kurz vorm Sterben fühlt.
    Er trat näher zu ihr, und sein Geruch stieg in ihre Nase, nur noch holziger Schweiß, mit einer leichten Note von Labdanum, kretischer Zistrose. Nicht unangenehm.
    »Haben Sie Fieber?« Er legte seine Hand unter ihr Kinn und musterte sie so eindringlich, dass Paula nicht wusste, wo sie hinschauen sollte.
    »Nein, mir fehlt nichts, was ein heißes Bad nicht in Ordnung bringen könnte.«
    Villeneuve starrte auf den Dschungel vor ihnen und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, darauf werden Sie noch sehr lange warten müssen. Und ist der Duft von Vanille Ihnen das alles wert?«
    »Es ist doch viel mehr als nur das. Es geht um das Erbe meiner Großmutter.«
    »Aber es handelt sich doch um eine Vanilleplantage, oder nicht?«
    »Soweit ich weiß, schon. Was haben Sie gegen Vanille?«
    »Ist mir zu süß.«
    »Und was ist gegen Süße einzuwenden?« Wie konnte man im Ernst etwas gegen Vanille haben, man hatte doch auch nichts gegen die Sonne oder gegen das Glück.
    »Süß ist falsch. Verlogen.«
    »Unsinn!«
    »Nur Scharlatane glauben an süße Wunder und dergleichen Unsinn. Aber das Leben ist nicht süß, und es hat nichts davon für uns vorgesehen.«
    »Und warum ist dann Muttermilch süß?« Sie war ge spannt, ob er das etwa auch noch leugnen wollte. »Die erste Speise, die unsere Geschmacksknospen berührt, ist süße Milch!«
    »Das ist für Säuglinge, aber so wie wir über das Kindsein hinauswachsen, müssen wir auch das Süße hinter uns lassen, weil es eine Lüge ist. Denn die Süße leugnet den Schmerz, und alles, was der erwachsene Mensch erlebt, ist eine Art von Schmerz, es gibt nichts anderes.«
    »Und was ist mit der Liebe?«, fragte Paula und verwünschte sich selbst, was war denn das für eine Frage? Ausgerechnet von ihr, die noch niemals jemanden geliebt hatte, außer ihrem Bruder und ihrem Vater.
    Villeneuve kratzte sich über die Stoppeln seines Dreitagebartes. »Da haben wir es erneut. Eine Liebe, die süß genannt wird, widert mich an, sie ist ein Monstrum, ein Unding.« Sein Ton triefte vor Spott. »Das ist genau dieser Unsinn, den junge Mädchen in der Gartenlaube lesen, für bare Münze nehmen und sich so für den Rest ihres Lebens ins Unglück stürzen.«
    Paula dämmerte langsam, was er meinte.
    »Das Süße ist doch nur eine Facette vom Ganzen, die genauso zum Leben gehört wie das Bittere, das Saure oder Salzige.«
    »Nein, das Süße ist eine Lüge.«
    »Aber es existiert doch! Natürlich gibt es die Süße nicht allein, so wie man auch kein gutes Parfüm kreieren kann, nur mit einem süßen Duft, man braucht auch alle anderen Nuancen.«
    Unwirsch rammte Villeneuve sein Gewehr zwischen seinen Beinen in den Boden. Gerade als er etwas sagen wollte, rannte Morten auf sie zu und winkte mit einem fetten Hasen, den er an den Ohren gepackt hielt. »Und, haben Sie etwas geschossen?«, rief er schon von Weitem. Seine Flinte hing rechts über seiner Hüfte, was ihm zusammen mit dem Bart ein gefährliches

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