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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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großzuziehen und dort vor Üblem zu bewahren, war schon schwer genug.
    Ich fand also, dass ich nach allem, was ich durchgemacht und verloren hatte, ein Recht auf ein eigenes Leben hätte, und als es dann passiert ist, nun, da hoffte ich, dass Du mich eines Tages verstehen würdest. Aber damals war nicht daran zu denken.
    Du warst vergiftet von Beaumonts Töchtern, die Dir ihr Mitleid aufzwangen und deren Falschheit sich in Dir ausbreitete wie Bandwürmer in Hunden. Du wandtest Dich ab von mir, als ob ich zur Diebin oder Mörderin geworden wäre. Du wolltest mich nicht verstehen, das habe ich dir damals verübelt, aber heute kann ich es begreifen. Heute bricht es mir das Herz, wenn ich daran denke, was Du, meine arme Florence, für ein gebeuteltes kleines Mädchen warst.
    Es war falsch zu erwarten, dass ein Kind solche Veränderungen verkraftet, Kinder wollen genauso sein wie alle, nicht anders. Nicht Außenseiter. Und das warst Du immer, bei den Piraten, bei Beaumont, und ich fürchte, es könnte Dir in Europa wieder ähnlich ergangen sein. Das bedauere ich zutiefst, und ich hoffe, mein Geschenk wird es Dir ermöglichen, endlich dazuzugehören.
    Der Regen trommelt auf mein kleines Blechdach, ein Luxus, den ich Laborde zu verdanken habe, der für Geld alles beschaffen kann. Manchmal jedoch, an Abenden wie heute, wünschte ich, mein Haus hätte ein Palmdach, genau wie das der Leute im Dorf, denn da klingt der Regen nicht wie das Feuer einer wütenden Artillerie, sondern wie sanftes Rauschen. Aber ich muss an die Vanille denken, und sie darf jetzt nicht nass werden, sonst verdirbt sie und mit ihr mein Plan von Vanille d’Or.
    Du erinnerst Dich bestimmt an die Plantagen von M. Beau mont, diese Düfte müssen Dir gegenwärtig sein, auch wenn Du sonst mit Parfüm nichts im Sinn hast. Da waren die Pampelmusen und die Nelkenbäume und das elende Zuckerrohr. Ich sage elend, weil es mir so vorkam, als würden dort jährlich mehr Menschen umkommen als während der Französischen Revolution. Neben all dem schon Erwähnten hatte sich M. Beaumont, lange bevor wir auf die Insel kamen, auch mit mexikanischer Vanille eingedeckt. Die Vanille wuchs, und sie blühte auch, doch sie brachte keine Früchte hervor, was Beaumont mächtig ärgerte, auch weil ihn das zur Zielscheibe von bösartigen Witzen über Impotenz gemacht hatte. Die Vanille kann bis zu zehn Meter lang werden, denn sie ist eine kletternde Orchidee, die wie die meisten Orchideen einen Stamm braucht, um den sie sich herumranken kann. Ihr Laub ist hellgrün und unscheinbar, genauso wie die wachsartigen, weißgelblich bis grünlichen Blüten. Und ihre Heimat ist nicht Réunion oder Madagaskar, sondern Lateinamerika. Niemand wusste, warum eine Pflanze, die so gut im hiesigen Klima gedieh, partout keine Früchte tragen wollte.
    Ich weiß, Du fragst Dich in genau diesem Augenblick, warum ich das in so einer penetranten Ausführlichkeit erzähle, aber ich bitte Dich um etwas Geduld. Denn Du musst wissen, wie ärgerlich es für einen Pflanzer ist, wenn sein Land mehr oder weniger brach liegt, und wie großartig es ist, wenn es reiche Ernte trägt. Im einen Fall verliert er all sein Geld, im anderen amortisiert sich seine Investition. Nur wenn Du Dir das vor Augen führst, wirst Du die unglaubliche Ungerechtigkeit, die auszumerzen ich mir für das Ende meiner Tage vorgenommen habe, verstehen können.
    Der Regen wütet heute Abend mit besonderer Kraft, ich muss leider noch einmal hinaus und nachsehen, ob ich meine Vanille gut genug eingepackt habe.

13
    Flieder
    Die Blüten des spanischen Flieders, syringa vulgaris L, besitzen einen sehr starken, angenehmen, fast etwas betäubenden Geruch, der durch die Methode der Maceration aus denselben leicht auf Fett übertragen werden kann.
    Z wei Wochen später wünschte sich Paula, sie hätte Europa nie verlassen. Ihre Kleider waren ständig nass, entweder vom Schwitzen oder vom Regen. Insekten umschwirrten sie jetzt in schwarzen Wolken. Allerdings wurde Paula sehr viel weniger gestochen als ihre Reisegefährten, weil sie ihre Kleider jeden Morgen mit ihrer Ölmischung gegen Insekten besprühte. Sie alle hatten sich Mulltücher vor das Gesicht gebunden, denn die Mücken bohrten sich gnadenlos in jedes Stückchen Haut, dass sie finden konnten, und je näher der Abend rückte, desto grausamer fand Paula diese Blutsauger. Sie begann sich zu fragen, ob es nicht doch leichtsinnig von ihr gewesen war, alle Warnungen in den Wind zu schlagen und

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