Die Insel des Mondes
sich so an, als würden unsere Verfolger nicht aufgeben.«
»Wie wäre es, wenn wir eine falsche Fährte legen?« Paula dachte an die Schnitzeljagden mit Johannes-Karl. »Wir führen sie an der Nase herum und nutzen die Zeit, um den Vorsprung zu vergrößern.«
»Das ist ein exzellenter Gedanke.« Lázló sah beschwörend in die Runde. »So machen wir das. Wir müssen uns trennen. Die Frauen gehen mit Villeneuve weiter, aber Sie müssen darauf achten, keine Schneisen zu hinterlassen. Morten und ich legen eine breite falsche Fährte.«
»Aber wie wollen Sie uns dann wiederfinden?«, fragte Villeneuve. »Und vor allem, wie lange wollen Sie sie hinhalten?«
»Moment mal!«, rief Morten. »Ich will überhaupt keine falsche Fährte legen, sondern bei Noria bleiben. Ich würde mich rettungslos verlaufen, und so viel Kraft habe ich nicht, ich muss mich darauf konzentrieren, dass ich vorankomme.« Er wischte sich über die Stirn, als Einziger von ihnen hatte er tatsächlich eine Truhe auf seiner Schulter und war hochrot im Gesicht. » Wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen . Matthäus 15, Vers 14.«
Paula fand ihn erbärmlich. »Dann werde ich das eben zusammen mit Lázló erledigen, wir schaffen das schon.«
»Das ist unmöglich, und das wissen Sie. Sie werden sterben.« Villeneuve klang jetzt sanfter. »Ich werde Lázló begleiten.«
»Nein, auf keinen Fall«, widersprach Paula sofort. »Niemand von uns kann so viel tragen wie Sie, und wer weiß, wie lange es noch dauert, bis wir am Ziel sind. Deshalb müssen Sie mit all unseren Sachen in die richtige Richtung vorgehen. Lázló und ich haben nur wenig Gepäck, deshalb sind wir schneller und können Ihnen dann folgen.« Paula räusperte sich und war froh, dass niemand Gedanken lesen oder ihre innere Stimme hören konnte, die gerade sehr laut und bösartig lachte.
»Und was noch viel besser ist, ich weiß auch, wie wir Sie wiederfinden.« Paula lud ihren Sack ab, kniete sich hin und suchte nach den Parfümölen, während sie im Kopf alle Düfte durchging und überlegte, welcher am besten geeignet wäre. Es musste etwas sein, das keinen Verdacht erregte, durfte demnach nicht zu europäisch duften, also weder Rose noch Flieder, musste aber für sie deutlich erkennbar sein. Das Einzige, das all diese Voraussetzungen erfüllte, war Jasminöl, eines ihrer kostbarsten Öle. Für einen Liter Jasminöl benötigte man eintausendfünfhundert Kilogramm Jasminblüten. Es fiel ihr schwer, ausgerechnet dieses Öl zu opfern, denn sie liebte Jasmin. Sein Duft war für sie eine Art fliegender Blütenteppich, der sie an alle Orte ihrer Sehnsucht versetzen konnte.
»Wir müssen weiter!«, drängelte Morten und riss Paula brutal aus ihren Überlegungen. »Hören Sie denn nicht unsere Verfolger, sie sind uns dicht auf den Fersen!«
Alle wurden starr und lauschten. Tatsächlich, sie waren sehr viel näher gekommen.
»Ich bin gleich so weit!« Paula gab sich einen Ruck. Es musste sein.
»Aber das ist unmöglich, Sie werden niemals zu uns zurückfinden.« Noria hockte sich neben Paula und meinte: »Sie erinnern sich doch an das, was wir über den Ge ruch der Erde gesprochen haben – Sie sind noch nicht so weit.«
Paula nickte, nahm das Jasminöl und packte hastig wieder zusammen. Dann reichte sie Noria das Fläschchen.
»Sie haben recht, und deshalb gebe ich Ihnen dieses Öl, es ist sehr stark, und Sie müssen es so sparsam wie möglich verwenden. Es genügt, wenn Sie jede Stunde einen Tropfen auf Ihr Handgelenk geben und damit alle drei Schritte Baumstämme oder Palmblätter berühren, so kann ich Ihrer Spur folgen.«
Noria öffnete das Fläschchen und roch daran, überrascht schloss sie die Augen. »Hmmm.«
»Schluss jetzt mit diesem Duftgesäusel. Lasst uns endlich aufbrechen!« Morten stampfte mit dem Fuß auf, um seine Worte zu bekräftigen, was Paula an die Wutanfälle ihres klei nen Bruders Gustav erinnerte. Wo war der tapsige, fröhliche Morten geblieben?
»Moment, Morten. Madame Kellermann, wenn Sie sich so orientieren, dann müssen Sie aber erst hierher zurück, Sie können uns dann nur von hier aus folgen.« Villeneuve massierte seine Schläfen. »Das wird Ihnen extrem viel abverlangen. Wir wissen nicht, wann die Verfolger aufgeben werden.«
Oder ob sie uns nicht doch einholen, dachte Paula und verbot sich sofort diese nutzlosen Gedanken.
»Sollen wir solange das Kind nehmen?«
Paula betrachtet Villeneuve, der neben seinen
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