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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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darum gebettelt, dass Morten mich begleitet.«
    »Ich finde es höchst seltsam, dass Sie Ihr Leben und das von uns allen riskiert haben, um das Kind zu retten. Und nun reden wir nur von ›dem Kind‹ oder ›dem Jungen‹, was sich anhört, als wäre es ›der Stuhl‹ oder ›das Bett‹, das entmenschlicht dieses Kind. Sie müssen ihm einen Namen geben!«
    Paula schaute auf das schmutzige Bündel vor ihrer Brust und wusste, dass er recht hatte. Tatsächlich war dieser Säugling für sie mehr ein Etwas als ein Mensch, sie fühlte nichts, wenn sie ihn betrachtete. Er hing zwar an ihrem Körper, aber er gehörte ihr nicht, er war ihr fremd. Dieser Junge war nur vorübergehend in ihrer Obhut. Sie würde kein Kind haben. Nicht mehr. Niemals.
    Lázló wartete immer noch auf eine Antwort.
    »Das hat doch noch Zeit«, sagte sie schließlich. »Vielleicht möchten die anderen ihm einen Namen geben? Oder wollen Sie?«
    »Nein, Sie sind jetzt seine Mutter. Er verdankt Ihnen sein Leben, also müssen Sie das tun.«
    »Kommen Sie mir nicht so pathetisch, das war doch alles nur Zufall.« Paula wünschte, sie hätte dieses Wimmern nie gehört. »Es war reiner Zufall. Das Kind verdankt mir nichts.« Das Bild blauer Schmetterlinge blitzte vor ihr auf wie flirrende Lichtstrahlen. Sie schüttelte den Kopf. Unsinn.
    »Hören Sie das?«, fragte Lázló.
    »Was?« Paula strengte sich an, aber sie hörte nur die Vögel und das Summen der Insekten, und Wasser, das immer und überall von Blättern auf Blätter tropfte. »Nichts.«
    Lázló zwinkerte ihr zu. »Genau. Sie haben aufgehört zu singen.«
    »Und was bedeutet das?«
    Lázló zuckte mit den Schultern. »Ganz sicher wüsste das nur Noria, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich unsere Verfolger ein Nachtlager bereiten, die Sonne geht schon bald unter.«
    Paula seufzte, die Sonne! Um sie herum herrschte stets ein so beständiges, dämmrig gefiltertes Licht, dass Paula nie wusste, ob es Morgen oder Mittag war. Er hatte recht, und das bedeutete, sie waren für heute in Sicherheit.
    »Dann rasten wir hier, oder?« Und in der Sekunde, in der sie fragte, wurde ihr klar, dass sie weder etwas zu essen dabei hatten, noch etwas, um Feuer zu machen. Daran hatte sie vorhin keine Sekunde gedacht, nur an ihr kostbares Jasminöl! Niemand hatte daran gedacht.
    »Feuer könnten wir sowieso nicht machen, das würde unsere Verfolger anlocken, deshalb schlage ich vor weiterzugehen, bis wir müde sind.«
    Paula erkannte schlagartig das ganze Ausmaß ihrer verhängnisvollen Idee. »Wenn sie uns tagelang verfolgen, wie wollen wir es ohne Nahrungsmittel wieder zurückschaffen und die anderen einholen?«
    »Dieser Gedanke ist mir auch gerade erst gekommen.« Lázló strich seine nassen Haare nach hinten und seufzte. »Ich denke, wir müssen etwas tun, das sie daran hindert.«
    »Und was soll das sein?«
    »Fady …« Lázló klatschte begeistert in die Hände, und ein Leuchten ging über sein erschöpftes Gesicht.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wir müssen dafür sorgen, dass sie glauben, ihre Ahnen wären dagegen, dass sie uns verfolgen.«
    »Klingt logisch«, musste Paula widerstrebend zugeben. Dieser Schönling hatte doch auch gute Ideen. »Aber wir wissen nicht, was in diesem Dorf Fady ist.«
    »Es gibt einige Tabus, die auf der ganzen Insel gelten. Man darf keine Krokodile töten und keine Drongos, und auf gar keinen Fall Lemuren.«
    »Wenn wir so etwas tun, wollen sie uns dann nicht erst recht bestrafen?«
    Lázló wurde bleich unter seiner olivfarbenen Haut. »Das klingt leider auch logisch.«
    »Aber vielleicht glauben sie auch, ein totes Tier bedeutet, ihre Vorfahren sind nicht mit unserer Verfolgung einverstanden. Vor allem, wenn sie nicht wissen, dass wir es getötet haben.« Je länger Paula darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie. »Wir müssen es wenigstens versuchen.«
    »Aber die Gewehre sind alle bei Villeneuve. Wir haben nur die Messer.« Lázló sah enttäuscht aus. »Damit können wir weder Krokodile noch Lemuren fangen oder töten.«
    »Dann bleiben uns die Vögel.« Paula fand auch den Ge danken, einen Vogel zu töten, den sie nicht mal essen wollten schlimm genug. »Und es ist gut, wenn der Vogel kein Einschussloch hat, sondern nur unerklärlich tot daliegt, wie ein stiller Vorwurf.«
    »Aber wie sollen wir den fangen?« Lázló biss sich auf die Lippen. »Ich kann zwar auf Bäume klettern, aber bis ich oben bin, ist jeder Vogel längst weg.«
    Schweigend marschierten sie

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