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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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war geblieben.
    Hoffentlich mussten sie das nicht wirklich trinken. Das alles hatte Paula so erschöpft, dass sie eine Pause brauchte. Sie setzte sich neben die Hängematte, in der Jo zum Glück immer noch schlief, nur um einmal kurz zu verschnaufen.
    Kaum hatte sie sich hingesetzt und ihre Füße von der Last befreit, musste sie dagegen ankämpfen, dass ihr die Augen zufielen. Du kannst jetzt nicht schlafen, du musst das Tageslicht ausnutzen, befahl sie sich. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder aufstehen werde, widersprach sie sich selbst, meine Füße können nicht mehr. Dann schaffe ich es eben nicht.
    Wenn ich das Kind – sie konnte hören, wie Lázló ihr zuraunte, »Nicht das Kind « –, wenn ich den Kleinen nicht gerettet hätte, hätten wir uns nie trennen müssen, und Lázló wäre nicht gestorben. Sie war ein Unglücksbringer, wo immer sie auftauchte, ging alles schief. Und jetzt war es vorbei, sie war sogar zu müde, um ihr Bündel aufzuschnüren und an ihren Ölen zu riechen. Sie schloss die Augen. Wie angenehm. Nichts sehen, nicht bewegen, nicht gehen. Nur dasitzen und ausruhen.
    Jo begann leise zu wimmern.
    Egal, dachte Paula, ist mir doch egal. Ich kann nicht mehr aufstehen, meine Füße sind am Ende.
    Jos Wimmern ging in ein wütendes Brüllen über. Das ist weit weg, erklärte sie sich, ganz weit weg und hat nichts mit dir zu tun.
    Plötzlich hörte der Kleine auf zu brüllen, und als Nächstes fing er an, fröhlich zu glucksen. Dann ist es ja gut, dann kann ich schlafen. Wunderbar. Sie atmete tief ein und aus. Jetzt hörte es sich sogar so an, als ob Jo lachen würde. Welchen Grund hätte ein hungriges, durstiges, einsames Kind in dieser klebrigen Hitze zu lachen?
    Das war ihr unheimlich, was war da los?
    Sie öffnete die Augen mit einem Ruck, sah zu ihm hin, und dann lächelte sie auch.
    Rund um die Hängematte, die sie für den Kleinen gebastelt hatte, schwebte eine Wolke aus blauen Schmetterlingen, groß wie Kolibris und schimmernd, taubenblau wie der Himmel über dem Königssee, lilablau wie Lavendelfelder im Sommer und blau wie die Flakons von Mathilde, lapislazuliblau.

26
    Mathildes Brief
    Ambalava, am Abend des 11. August 1 85 6
    Meine liebe Florence,
    vielleicht hatte Pater Antonius doch recht mit seinen Befürchtungen. Vorhin musste ich die Feder niederlegen, weil ich draußen merkwürdige Geräusche gehört habe und Diebe vermutete, die sich an meiner Vanille vergreifen wollten. Das ist schon oft vorgekommen. Ich habe mir das Gewehr gegriffen und bin hinausgerannt, zu dem Lagerschuppen, wo ich die Vanillebündel aufbewahre. Keine Menschenseele war zu sehen, aber jemand hatte ein Feuer gelegt, zum Glück jedoch so stümperhaft, dass ich es schnell löschen konnte. Ich fürchte, das ist ein Zeichen für mich.
    Ich werde mich also kürzer fassen müssen, denn ich will sichergehen, dass Dich meine Zeilen erreichen.
    Nachdem Du fort warst, dachte ich lange drüber nach, wie ich am besten vorgehen sollte, und schmiedete einen Plan, der Beaumont dazu bringen sollte, Edmond für das, was er getan hatte, zu belohnen. Der perfekte Tag für mein Gespräch mit Beaumont kam, als die Blüten der Vanille sich öffneten und innerhalb von vierundzwanzig Stunden bestäubt werden mussten. Jede einzelne Blüte von Hand.
    Direkt nach dem Frühstück ging ich in sein Büro und stellte ihn zur Rede. Ich verlangte von ihm, dass er Edmond entschädigen oder an den Einnahmen beteiligen sollte, aber er fand mich nur höchst amüsant und teilte mir mit, dass ich sein Haus sofort zu verlassen hätte, und ich könnte gern zusammen mit Edmond gehen. Sein Sklave hätte damals in seinem Auftrag dieses Experiment durchgeführt, und es sei ungeheuerlich, dass eine Frau wie ich einem ungebildeten Sklaven, der weder lesen noch schreiben konnte, eine so lächerliche Geschichte glaubte. Natürlich drohte ich ihm damit, dass ich seinen Ruf zerstören würde, aber das ließ ihn relativ kalt, denn wer würde dem Gewäsch einer Frau zuhören, die sich rassenschänderischen Unzüchtigkeiten hingab. So weit, so gut, damit hatte ich gerechnet, und jetzt kam der interessante Teil des Planes, in den ich auch Edmond nicht eingeweiht hatte, weil er dagegen gewesen wäre.
    Ich hatte alle Arbeiter, ehemalige Sklaven, die Edmond liebten und daher ganz meiner Meinung waren, auf unsere Seite gebracht und ihnen eine großzügige Beteiligung versprochen. Deshalb würde keiner von ihnen auch nur eine einzige Vanilleblüte berühren,

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