Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
eine Anwandlung ist, die aus einem eingebildeten Übel einen realen Schmerz zieht; dass der Eifersüchtige wie ein Hypochonder ist, der krank wird aus Angst, es zu sein. Also hüte dich, sagte er sich, dich von dieser schmerzerregenden Wahnidee packen zu lassen, die dich zwingt, dir die andere mit einem anderen vorzustellen, nichts weckt den Zweifel so sehr wie die Einsamkeit, und nichts verwandelt den Zweifel so sehr in Gewissheit wie die Phantasterei. Und doch, setzte er hinzu, da ich nicht umhinkann zu lieben, kann ich auch nicht umhin, eifersüchtig zu werden, und da ich nicht umhinkann, eifersüchtig zu werden, kann ich auch nicht umhin zu phantasieren.
Tatsächlich ist die Eifersucht unter allen Befürchtungen dieundankbarste: Wenn man den Tod fürchtet, erleichtert es einen zu denken, dass man im Gegenteil ein langes Leben genießen oder auf einer Reise die Quelle ewiger Jugend finden könnte; und wenn man arm ist, tröstet einen der Gedanke, dass man einen Schatz finden könnte. Für jedes gefürchtete Übel gibt es eine entgegengesetzte Hoffnung, die uns anspornt. Nur nicht für die Liebe in Abwesenheit der geliebten Person. Abwesenheit ist für die Liebe wie der Wind für das Feuer: Sie lässt die kleinen erlöschen und facht die großen an.
Wenn Eifersucht aus inniger Liebe erwächst, dann ist, wer keine Eifersucht um die geliebte Person empfindet, kein wirklich Liebender, oder er liebt nur mit halbem Herzen; weiß man doch von Liebenden, die aus Angst, dass ihre Liebe erlöschen könnte, sie dadurch am Leben erhalten, dass sie um jeden Preis Gründe zur Eifersucht finden.
Daher will der Eifersüchtige die Geliebte (die er gleichwohl keusch und treu haben will oder wollen würde) nicht anders haben – und kann sie sich auch nicht anders vorstellen – als seiner Eifersucht würdig, also der Untreue schuldig, derart im anwesenden Leiden die Lust der abwesenden Liebe neu entfachend. Auch weil der Gedanke, dass man die ferne Geliebte besitze – wohl wissend, dass es nicht stimmt –, den Gedanken an sie, an ihre Wärme, ihr Erröten, ihren Duft, nicht so lebendig machen kann wie der Gedanke, dass ein anderer gerade dabei ist, diese selben Gaben zu genießen: Während man sich der eigenen Abwesenheit sicher ist, ist man sich der Anwesenheit jenes Feindes wenn nicht gewiss, so doch zumindest nicht zwangsläufig ungewiss. Die Liebesbegegnung, die der Eifersüchtige sich vorstellt, ist die einzige Form, in der er sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das Beilager eines anderen vorstellen kann, das wenn nicht unbezweifelbar, so doch zumindest möglich ist, während das eigene unmöglich ist.
Darum ist der Eifersüchtige nicht fähig und auch nicht willens, sich das Gegenteil dessen vorzustellen, was er fürchtet, ja, er kann sogar nur genießen, indem er den eigenen Schmerz noch vergrößert, und dann leidet er an diesem vergrößerten Genuss, von dem er sich ausgeschlossen weiß. Die Freuden der Liebe sind Qualen, die als begehrenswert erscheinen, in denen Süße und Folter zusammenfallen, und dieLiebe ist freiwillige Verrücktheit, höllisches Paradies und paradiesische Hölle – kurz: Eintracht ersehnter Gegensätze, schmerzliches Lachen und brüchiger Diamant.
Und während Roberto so litt, aber sich der unendlichen Zahl von Welten entsann, über die er mit Pater Caspar diskutiert hatte, kam ihm eine Idee, eine große Idee, ja ein wahrhaft grandioser Geistesblitz.
Er könnte sich eine Geschichte ausdenken, überlegte er, eine Geschichte, in der bestimmt nicht er der Held sein würde, denn sie würde sich nicht in dieser Welt abspielen, sondern in einer Welt der Romane, und ihre Geschehnisse würden sich parallel zu denen der Welt ereignen, in welcher er sich befand, ohne dass die beiden Ereignisabfolgen sich jemals berühren oder überschneiden könnten.
Was würde er dadurch gewinnen? Viel. Indem er beschloss, die Geschichte einer anderen Welt zu erfinden, die nur in seinem Denken existierte, würde er sich zum Herrn jener Welt machen und dafür sorgen können, dass die Dinge, die dort geschahen, nicht über das hinausgingen, was er zu ertragen vermochte. Auf der anderen Seite konnte er, wenn er zum Leser des Romans wurde, dessen Autor er war, am Herzeleid der Personen teilhaben. Passiert es Romanlesern nicht, dass sie Thisbe lieben, ohne Eifersucht zu empfinden, indem sie Pyramus als Stellvertreter benutzen, oder dass sie durch Celadon um Astrea bangen?
Im Land der Romane zu lieben heißt
Weitere Kostenlose Bücher