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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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leichter werden, und nach wenigen Augenblicken (die ihm wie Jahre vorkamen) merkte er, daß sich die Winde leer drehte. Die Glocke war am Grund angelangt. Er kappte das Seil und stürzte zur Bordwand, um hinunterzuspähen. Und sah nichts.
    Von Pater Caspar und der Glocke war keine Spur mehr geblieben.
    Was für ein Teufelskerl von Jesuit, dachte Roberto bewundernd. Er hat es geschafft! Denk nur, da unten marschiert ein Jesuit, und niemand könnte es erraten. Die Täler aller Ozeane könnten von Jesuiten bevölkert sein, und niemand würde es wissen!
    Dann ging er zu vorsichtigeren Gedanken über. Daß Pater Caspar da unten sein mußte, war unsichtbarerweise evident. Aber daß er wieder heraufkommen würde, war noch nicht gesagt.
    Das Meer schien ihm etwas unruhiger zu werden. Sie hatten den Tag extra gewählt, weil er heiter war, doch während sie die letzten Vorbereitungen trafen, hatte sich ein leichter Wind erhoben, der hier draußen die Wasserfläche nur kräuselte, aber am Ufer schon einige Wellen erzeugte, die zwischen den nun aufgetauchten Klippen die Landung erschweren konnten.
    Vor der Nordspitze der Insel, wo sich eine fast glatte und senkrechte Wand erhob, entdeckte er aufsprühende Gischtfontänen, die an den Felsen schlugen und in der Luft zerstoben wie ebenso viele weiße Nönnchen. Sicher waren sie das Ergebnis von Wellen, die auf eine Reihe kleiner Felszacken schlugen, die er nicht sehen konnte, aber vom Schiff aus schien es, als bliese eine Seeschlange jene kristallenen Flammen aus der Tiefe empor.
    Am Strand schien es jedoch ruhiger zu sein, die Schaumkronen waren nur weiter draußen zu sehen, und das war für Roberto ein gutes Zeichen: Es zeigte an, wo das Riff aus dem Wasser ragte, und markierte die Grenze, hinter der Pater Caspar keine Gefahr mehr laufen würde.
    Wo mochte er jetzt sein? Wenn er sich gleich in Marsch gesetzt hatte, müßte er schon ... Aber wieviel Zeit war seitdem vergangen? Roberto hatte das Gefühl für das Verstreichen der Augenblicke verloren, jeder zählte für ihn eine Ewigkeit, und so neigte er dazu, das vermeintliche Resultat zu verringern, und redete sich ein, der Pater sei gerade eben erst eingetaucht, vielleicht befinde er sich noch unter dem Kiel und versuche gerade, sich zu orientieren. Dann aber kam ihm der Verdacht, das Seil könnte sich beim Hinunterlassen der Glocke verdreht haben, so daß die Glocke eine halbe Drehung um sich selbst gemacht hatte und Pater Caspar, ohne es zu wissen, mit dem Fenster nach Westen gelandet war und jetzt womöglich ins offene Meer hinausmarschierte.
    Ach was, sagte sich Roberto, wer ins offene Meer hinausmarschierte, würde ja wohl bemerken, daß es abwärts und nicht aufwärts ging, und würde umkehren. Wenn allerdings an dieser Stelle ein kleiner Anstieg nach Westen wäre und der in westlicher Richtung aufwärts Gehende glauben würde, er ginge nach Osten? Immerhin müßten die Sonnenreflexe ihm zeigen, in welcher Richtung sich das Tagesgestirn bewegte... Aber sieht man von dort unten die Sonne? Dringen ihre Strahlen wie durch ein Kirchenfenster in kompakten Bündeln so weit hinab, oder zerstreuen sie sich in alle Richtungen wie Tropfen, so daß, wer sich dort unten befindet, das Licht nur wie ein diffuses Leuchten wahrnimmt?
    Nein, sagte sich Roberto, der Alte weiß sehr genau, in welche Richtung er gehen muß, vielleicht ist er schon auf halbem Weg zwischen Schiff und Riff, vielleicht ist er schon beim Riff angelangt und steigt schon hinauf mit seinen dicken Sohlen aus Eisen, gleich werde ich ihn auftauchen sehen ...
    Anderer Gedanke: In Wirklichkeit ist noch niemand vor dem heutigen Tage am Grunde des Meeres gewesen. Wer sagt mir, daß man da unten nicht schon nach wenigen Armeslängen ins absolut Schwarze eintaucht, wo nur Kreaturen leben, deren Augen ein vages Schimmern ausstrahlen? Und wer sagt, daß man sich am Grunde des Meeres noch orientieren kann? Vielleicht dreht sich der arme Pater im Kreise, geht immer denselben Weg, bis sich die Luft aus seiner Brust in bloße Feuchtigkeit verwandelt hat, die sich auf der Glasscheibe niederschlägt und das befreundete Wasser in die Glocke einlädt ...
    Roberto machte sich Vorwürfe, daß er nicht wenigstens eine Sanduhr aufs Deck gestellt hatte: Wieviel Zeit war seit dem Eintauchen vergangen? Vielleicht schon mehr als eine halbe Stunde, also zuviel, und bei diesem Gedanken war er es, der zu ersticken vermeinte. Er atmete tief durch, kam wieder zu sich und glaubte, dies sei der

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