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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Fische, vielleicht die Korallen oder spitze Steine, hatten die Macht, ihm eine Art Pestilenz zuzufügen; wenn er dorthin zurückkehren wollte, mußte er in Schuhen und Beinkleidern schwimmen, was hinderlich sein würde; da er jedoch in keinem Fall den ganzen Körper würde schützen können, mußte er imstande sein, unter Wasser zu sehen.
    Bei der letzten Schlußfolgerung erinnerte er sich an jene Persona Vitrea oder Maske zum Sehen unter Wasser, die Pater Caspar ihm gezeigt hatte. Er probierte sie an, band ihre Riemen im Nacken zusammen und stellte fest, daß sie sein Gesicht umschloß und ihn wie durch ein Fenster hinaussehen ließ. Er probierte zu atmen und merkte, daß ein bißchen Luft eindrang. Wenn Luft eindrang, würde auch Wasser eindringen können. Er würde also beim Tauchen die Luft anhalten müssen - denn je mehr Luft in der Maske war, desto weniger Wasser konnte hinein - und würde auftauchen, wenn sie vollgelaufen war.
    Das würde keine leichte Sache sein, und tatsächlich sollte Roberto drei volle Tage brauchen, um alle Phasen im Wasser zu üben, ohne sich von der Daphne zu entfernen. Im Schlafraum der Matrosen fand er eine Art Schnürstiefel aus Segeltuch, die seine Füße schützen würden, ohne sie allzusehr zu beschweren, dazu eine lange Hose, die sich an den Knöcheln zubinden ließ. Einen halben Tag brauchte er allein dafür, so angetan die Bewegungen wieder zu lernen, die er nackt schon so gut gekonnt hatte.
    Dann übte er, mit der Maske zu schwimmen. Im tiefen Wasser konnte er nicht viel sehen, doch er entdeckte einen Schwarm golden glänzender Fische, der viele Armeslängen unter ihm kreiste wie in einem Bassin.
    Drei Tage, sagten wir. In deren Verlauf Roberto zunächst lernte, mit angehaltenem Atem unter Wasser zu schauen, dann dabei vorwärtszuschwimmen und dann, sich die Maske im Wasser abzunehmen. Bei letzterem lernte er instinktiv eine neue Stellung, die darin bestand, die geblähte Brust aus dem Wasser zu heben, mit den Füßen zu treten, als ob er schnell liefe, und das Kinn hochzurecken. Schwieriger war es, in dieser Stellung das Gleichgewicht zu halten, während er sich die Maske wieder aufsetzte und im Nacken festband. Zudem sagte er sich sofort, daß er, wenn er diese vertikale Stellung über dem Riff einnahm, mit den Füßen an die Klippen stoßen und, solange er den Kopf über Wasser hatte, nicht würde sehen können, wohin er trat. Deshalb schien ihm, daß es besser sein würde, die Maske nicht festzubinden, sondern sie sich mit beiden Händen ans Gesicht zu pressen. Was ihn dann allerdings zwingen würde, nur mit den Beinen vorwärtszuschwimmen und diese dabei möglichst horizontal zu halten, um nicht unten anzustoßen eine Bewegung, die er noch nie probiert hatte und die ihn erst langwierige Versuche kostete, bevor er sie einigermaßen zufriedenstellend ausfahren konnte.
    Und bei diesen Versuchen machte er aus jedem Wutanfall ein Kapitel seines Romans von Ferrante.
    Wobei er seiner Geschichte eine noch grimmigere Wendung gab, in der Ferrante zu Recht bestraft wurde.
    Brévier der Politiker
    Allerdings war es auch Zeit, daß er seine Geschichte wiederaufnahm. Zwar stimmt es, daß die Dichter, nachdem sie ein denkwürdiges Ereignis angesprochen haben, es eine Zeitlang vernachlässigen, um den Leser in Atem zu halten, und an dieser Geschicklichkeit erkennt man einen gut erfundenen Roman; aber das Thema darf auch nicht allzulange verlassen werden, damit sich der Leser nicht in zu vielen parallelen Handlungssträngen verliert. Also zurück zu Ferrante.
    Roberto Lilia wegzunehmen war nur eines der beiden Ziele, die sich Ferrante gesetzt hatte. Das andere war, Roberto beim Kardinal in Ungnade fallen zu lassen. Kein leichtes Vorhaben, denn der Kardinal wußte ja nicht einmal, daß Roberto überhaupt existierte.
    Doch Ferrante wußte die Gelegenheiten, die sich ihm boten, zu nutzen. Eines Tages las Richelieu in seiner Gegenwart einen Brief und sagte zu ihm:
    »Kardinal Mazarin macht mich hier auf eine neue englische Erfindung aufmerksam, ein sogenanntes sympathetisches Pulver. Habt Ihr je in London davon gehört?«
    »Um was handelt es sich, Eminenz?«
    »Signor Pozzo oder wie Ihr Euch nennt, merkt Euch, man antwortet nie auf eine Frage mit einer Gegenfrage, schon gar nicht gegenüber einem Höhergestellten. Wenn ich wüßte, um was es sich handelt, würde ich Euch nicht fragen. Nun, wenn also nicht von diesem Pulver, habt Ihr je etwas von einem neuen Geheimnis zur Bestimmung der

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