Die Insel Des Vorigen Tages
Längengrade gehört?«
»Ich gestehe, daß ich nicht das geringste über dieses Thema weiß. Wenn Eure Eminenz mich aufklären wollten, könnte ich vielleicht ...«
»Signor Pozzo, Ihr wäret amüsant, wenn Ihr nicht so unverschämt wärt. Ich wäre nicht der Herr dieses Landes, wenn ich andere über Geheimnisse aufklären würde, die sie nicht kennen - es sei denn, diese anderen wären der König von Frankreich, was mir bei Euch nicht der Fall zu sein scheint. Also tut nur das, was Ihr zu tun versteht: Haltet die Augen offen und deckt Geheimnisse auf, über die Ihr nichts wißt.
Dann kommt wieder her und berichtet mir, und danach sorgt dafür, daß Ihr rasch alles vergeßt.«
»Das ist es, was ich immer getan habe, Eminenz. Oder jedenfalls glaube ich das, denn ich habe vergessen, daß ich’s getan habe.«
»So gefallt Ihr mir. Geht nun.«
Einige Zeit danach hörte Ferrante - an jenem denkwürdigen Abend im Salon - Robertos Rede über das sympathetische Pulver. Er wollte es erst gar nicht glauben, konnte er Richelieu doch nun berichten, daß ein italienischer Edelmann, der diesen Engländer namens d’Igby frequentierte (der bekanntlich vor einiger Zeit mit dem Herzog von Bouquinquant liiert war), eine Menge über dieses Pulver zu wissen schien.
Im selben Moment, in dem er Roberto anzuschwärzen begann, mußte Ferrante jedoch erreichen, daß er an seine Stelle trat. Darum enthüllte er dem Kardinal, daß er, Ferrante, sich zwar als Signor Del Pozzo ausgebe, da ihn seine Tätigkeit als Informant dazu zwinge, sein Inkognito zu wahren, aber in Wahrheit sei er der echte Roberto de La Grive, der schon während der Belagerung von Casale tapfer auf seiten der Franzosen gekämpft habe. Der andere, der so hinterhältig von jenem englischen Pulver gesprochen habe, sei ein betrügerischer Abenteurer, der sich eine vage Ähnlichkeit zunutze mache und sich bereits unter dem Namen Mahmut der Araber in London als Spion der Türken verdingt habe.
So redend bereitete sich Ferrante auf den Augenblick vor, da er nach dem Ruin seines Bruders an dessen Stelle treten und als der einzige echte Roberto gelten würde, nicht nur in den Augen der auf La Griva gebliebenen Verwandten, sondern auch in den Augen von ganz Paris, als ob der andere nie existiert hätte.
Unterdessen, während er Robertos Züge annahm, um Lilia zu erobern, hatte Ferrante - wie ganz Paris -
vom unglücklichen Schicksal des Marquis de Cinq-Mars erfahren und sich, gewiß viel riskierend, aber bereit, für seine Rache notfalls sein Leben zu geben, ostentativ in Gesellschaft der Freunde jenes Verschwörers gezeigt.
Danach hatte er dem Kardinal eingeblasen, der falsche Roberto de La Grive, der soviel über ein den Engländern teures Geheimnis wisse, sei an der Verschwörung beteiligt, und hatte auch Zeugen präsentiert, die versichern konnten, Roberto mit dem und dem gesehen zu haben.
Wie man sieht, ein hochgetürmtes Lügengebäude aus Trug und Verstellung, das den Hinterhalt erklärt, in den Roberto gelockt worden war. Aber hineingegangen war er dann aus Gründen und in einer Weise, die selbst Ferrante nicht vorausgesehen hatte, da seine Pläne durch Richelieus Tod durchkreuzt worden waren.
Was war geschehen? Der übervorsichtige Richelieu hatte Ferrante benutzt, ohne mit irgendwem darüber zu sprechen, nicht einmal mit Mazarin, dem er offensichtlich mißtraute, als er ihn wie einen Geier über seinem kranken Körper warten sah. Trotzdem hatte er ihm, als seine Krankheit fortschritt, einige Informationen gegeben, ohne ihm die Quelle zu verraten:
»Apropos, mein lieber Jules!«
»Ja, Eminenz und geliebter Vater ...«
»Laßt einen gewissen Robert de La Grive überwachen. Er verkehrt im Salon der Marquise de Rambouillet. Wie es scheint, weiß er einiges über Euer Sympathiepulver... Und übrigens, nach Auskunft eines meiner Informanten frequentiert er auch einen Verschwörerkreis ...«
»Bemüht Euch nicht, Eminenz. Ich werde mich um alles kümmern.«
Und so hatte Mazarin eigene Erkundigungen über Roberto eingeholt, bis er das wenige wußte, was er am Abend seines Gesprächs mit ihm hatte durchblicken lassen. All das jedoch, ohne daß Ferrante etwas davon wußte.
Unterdessen war Richelieu gestorben. Was mußte das für Ferrante bedeuten?
Nach Richelieus Tod hat er keinen Beschützer mehr. Er müßte Kontakte zu Mazarin aufnehmen, denn der Ehrlose ist eine trübe Sonnenblume, die sich immer zum Mächtigsten wendet. Aber er kann dem neuen Minister nicht
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