Die Insel Des Vorigen Tages
umgestoßen hätte - eine Schüssel aus falschem Gold, geschmeckt mit fein imitierten Edelsteinen aus Glas. Er gab die Schuld einem Diener und murmelte dann zu Colbert: »Schafft diesen Mann zurück, woher er kommt.«
Es ist wirklich wahr, die Götter machen blind, wen sie ins Verderben stürzen wollen. Ferrante hatte gemeint, er könne Interesse wecken, wenn er zeigte, daß er die verborgensten Geheimnisse des verstorbenen Kardinals kannte, und hatte sich zu weit vorgewagt, getrieben vom Stolz des Informanten, der sich stets besser informiert zeigen will als sein Brotherr. Aber niemand hatte Mazarin bisher gesagt (und es wäre auch schwer zu beweisen gewesen), daß es zwischen Ferrante und Richelieu irgendwelche Verbindungen gegeben hatte. Mit anderen Worten, Mazarin hatte jemanden vor sich, sei er nun Roberto oder ein anderer, der nicht nur wußte, was er, Mazarin, zu Roberto gesagt hatte, sondern auch, was er an Richelieu geschrieben hatte. Woher wußte der Kerl das?
Als Ferrante draußen war, sagte Colbert: »Glauben Eure Eminenz, was der gesagt hat? Wenn er ein Zwillingsbruder von Roberto wäre, würde das alles erklären. Roberto wäre dann noch auf See und ...«
»Nein, wenn der sein Bruder ist, erklärt sich der Fall noch weniger. Woher weiß er, was erst nur wir wußten - ich, Ihr und unser englischer Informant - und dann Roberto de La Grive?«
»Sein Bruder wird es ihm gesagt haben.«
»Nein, sein Bruder hatte doch alles erst in jener Nacht von uns erfahren, und seitdem war er keinen Augenblick unbewacht geblieben, bis jenes Schiff abgelegt hatte. Nein, nein, dieser Mann weiß zu viele Dinge, die er nicht wissen dürfte.«
»Was machen wir mit ihm?«
»Interessante Frage, Colbert. Wenn er Roberto ist, weiß er, was er auf jenem Schiff gesehen hat, und dann wird er irgendwann reden müssen. Wenn er nicht Roberto ist, müssen wir unbedingt herausbekommen, woher er seine Informationen hat. In beiden Fällen - und da wir ihn nicht vor ein Gericht bringen können, wo er vor zu vielen Ohren zuviel reden würde - können wir ihn nicht einfach verschwinden lassen mit einer Klinge im Rücken: Er hat uns noch vieles zu sagen. Und außerdem, wenn er nicht Roberto ist, sondern, wie hat er gesagt, Ferrand oder Fernand ... ?«
»Ferrante, glaube ich.«
»Wie auch immer. Wenn er nicht Roberto ist, wer steht dann hinter ihm? Nicht einmal die Bastille ist ein sicherer Ort. Man weiß von Leuten, die dort Nachrichten empfangen oder ausgesandt haben. Wir müssen warten, bis er redet, und einen Weg finden, ihn zum Reden zu bringen, aber bis dahin müssen wir ihn an einem absolut sicheren Ort verwahren und dafür sorgen, daß niemand erfährt, wo er ist.«
Und das war der Moment, in dem Colbert eine finster glänzende Idee hatte.
Einige Tage zuvor hatte ein französisches Kriegsschiff vor der bretonischen Küste ein Piratenschiff aufgebracht, und es war ganz zufällig eine holländische Fleute gewesen, ein Schiff namens Tweede Daphne, also Zweite Daphne , was dafür sprach - bemerkte Mazarin -, daß es irgendwo eine Erste Daphne geben müsse, woran man sehen könne, daß diese Protestanten nicht nur wenig Glauben hätten, sondern auch wenig Phantasie. Die Besatzung bestand aus Strolchen aus aller Herren Länder. Eigentlich hätte man sie alle aufknöpfen müssen, aber es lohnte sich, vorher zu untersuchen, ob sie womöglich im Solde Englands standen und wem sie jenes Schiff geraubt hatten, denn vielleicht konnte man ja ein vorteilhaftes Tauschgeschäft mit den legitimen Eigentümern machen.
So hatte man beschlossen, das Schiff in einer kleinen, fast versteckten Bucht unweit der Seinemündung zu vertäuen, wo es sogar den Jakobspilgern entging, die auf dem Wege von Flandern nach Santiago de Compostela nicht weit davon vorbeikamen. Auf einer Insel im Eingang der Bucht befand sich ein altes Fort, das nur einmal als Gefängnis gedient hatte, aber seither praktisch nie benutzt worden war. Und dort waren die Piraten in die Verliese geworfen worden, bewacht von nicht mehr als drei Männern.
»Das genügt«, hatte Mazarin gesagt. »Nehmt zehn meiner Wachen unter dem Befehl eines tapferen und nicht unvorsichtigen Hauptmanns ...«
»Biscarat. Er hat sich immer gut verhalten, seit damals, als er sich mit den Musketieren für die Ehre des Kardinals schlug ...«
»Sehr gut. Laßt den Gefangenen in jenes Fort überführen, und man bringe ihn in den Unterkünften der Wache unter.
Biscarat nehme die Mahlzeiten mit ihm ein und
Weitere Kostenlose Bücher