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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Golowanow
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Perlmutt ist? Und wie von dem dunklen Grün der Flussniederungen erzählen, dem kargen Dämmerlicht, dem Glanz des spiegelgleichen Wassers unten am Talgrund? Von dem Seeadler, der, aufgescheucht unter Petkas Fuß, sich plötzlich lautlos vom Schluchthang löst und zu schweben beginnt, mit weiten Schwingen – beinah stehend – gegen das Dunkel gestemmt? Oder von dem Moos, das mit einemmal eine niedrige Bachböschung überzieht, oder den Glockenblumen: kaltblaue, in die Nacht versprengte Tropfen, oder den Vergissmeinnicht? Wie davon, dass, je weiter die Nacht voranschreitet, je näher das Morgengrauen rückt, die Farben desto märchenhafter, phantastischer werden?
    Da unten, das Wasser, es ist lautlos und schwerflüssig und glänzt wie geschmolzenes Metall, als hätte alles Silber und Gold des schummernden Himmels sich in das Flussbett ergossen, auf den Grund der dunklen Kluft.
    Im Nenzischen gibt es ein Dutzend Wörter und Wortzusammensetzungen für die Bezeichnung von Wasser. Da gibt es einfach Wasser –
i
, dann das Meerwasser –
jaw’ i
, das Wasser der Küstenniederungen –
sambo i
– und das der Torfniederungen –
mongga i
, weiter Quellwasser –
ja ngylad munggarta
, oder auch, wie schon erwähnt,
altes
Wasser. Aber mit welchen Wörtern das Wasser der lichtvollen nächtlichen Flüsse bezeichnen? Und wie all die Farbtöne beschreiben, die vor unseren Augen entstanden und wieder verschwammen – meinetwegen bloß die Braun-, Grün- und Blautöne; zum Beispiel der gräuliche Ton in der fernen Bläue, mit dem plötzlich die Blauen Berge von Kolgujew – unerwartet nah – hervortraten, auf die ich einmal von Bugrino aus mit stockendem Herzen geschaut hatte? Vielleicht sind Worte hier ja machtlos; es kann gut sein, dass sich die Pracht der Szenerie um uns her nur mit Malerfarben wiedergeben lässt – und zurück im Moskauer Vorortsommer habe ich tatsächlich versucht, diese Nacht zu malen, zumindest die Farben unverfälscht aus dem Gedächtnis zusammenzusuchen, aber es kam nichts dabei heraus. Diese Nacht war selbst die Verkörperung einer ungewöhnlichen Könnerschaft und wollte sich der mittelmäßigen Hand eines Kopisten nicht beugen.
    Eine Schnepfe tickerte in der Stille, in der Ferne trompeteten Schwäne.
    Ach, in ihrer ganzen Fülle lässt sich diese Nacht niemandem schildern! Es ist meine Nacht, meine Nacht in einem Maß, dass ich, so sehr ich es wünsche, sie doch mit niemandem teilen kann, genauso wenig wie den dumpfen Druck in der Wirbelsäule, den bohrenden Schmerz in den Schultern, die bis ins Gedärm kriechende Kälte oder jene steinharte Schokolade, die ich meinen Gefährten durch die Nacht stückchenweise bei jeder dritten Rast austeilte …
    Einmal schlief Petka beim Warten auf Alik und mich ein.
    Wir waren schon an die fünf Stunden unterwegs, und Alik und ich hinkten ihm und Tolik hinterher wie zwei Greise, besonders in den Steigungen, weil ich da mein krankes Knie stärker beugen und Alik sich mit seinem verstauchten Fuß abstemmen musste. Aus einer Schlucht, die es in sich hatte, mit dem Gefühl des ewigen Nachzüglers auftauchend, erblickten wir plötzlich die beiden anderen, wie sie oben auf dem Plateau auf einer Bülte sitzen, um auf uns zu warten. Tolik rauchte. Petka schwieg. So konnten auch wir uns kurz setzen und ein bisschen ausruhen. Dann standen wir auf und liefen weiter. Das heißt: wir außer Petka. Wir riefen, aber er – rührt sich nicht. Wir zurück – da schläft er doch tatsächlich.
    Ja und?, könnte jemand fragen. Was war die Belohnung? Was war der Sinn? Du hast doch gesagt, etwas an der Nacht sei außergewöhnlich gewesen … Doch, ja, würde ich antworten, vollkommen außergewöhnlich. Diese Nacht war wunderbar. Aber wie von einem Wunder erzählen? Das Wunder tut sich demjenigen auf, der aus eigenen Stücken zu ihm geht. Und der Sinn: Er besteht in der Farbe und dem Rhythmus – der Farbe und dem Rhythmus des Raumes, der auch in sich einen Sinn darstellt, ein Ziel, einen Wert. Denn in ihm liegt Kraft. Denn er ist schön …
    Das Einzige, was ich bedaure: dass ich auf keinerlei, aber wirklich keinerlei Weise mit der Geliebten meines Herzens die Begeisterung über jene Vorfrühestunde teilen kann, wenn die nächtlichen Farben äußerste transparente Frische erlangen, um beim ersten Sonnenstrahl in Tagesfarben verwandelt zu werden. Auch ein Foto zu machen ist da zwecklos. Denn: Was ließe sich schon aufnehmen? Die Umgebung? Die Tundralandschaften gleichen einander

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