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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Golowanow
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Die waren die ersten Roten hier. Die waren die ersten, die ein Dampfer hier abgesetzt hat. Und die sind sogar den Winter über geblieben. Die wurden zu Antip Ardejew gebracht – das ist dem Demjan seine Linie. Im Jahr drauf ging dann ein Dampfer vor Reede. Ein Riesendampfer, und die setzen ein Boot ins Wasser. Und die andern hausten beim Großvater, die ersten Roten, die Kommissare. Da bitten sie den Großvater: Nikolaj Iwanytsch, geh hin – und wenns Weiße sind, dann nimm die Mütze ab und verneig dich. Sinds Rote, werden die dich grüßen. Und du, geh du dann ans Ufer … Da, wo jetzt das Kuttergerippe liegt, da war so ein kleines Kap, da ist er hingelaufen, eine ganze Weile lang. Und die drei haben sich bei dem Kap ins Gras gelegt. Und hatten irgendwo ein Maschinengewehr her, war vielleicht versteckt, eine »Lewis«, stellt sich raus, hatten die, so ein Maschinengewehr mit einer Scheibe obendrauf wie eine Bratpfanne, und die andern beiden mit Flinten. Liegen also im Gras. Und der Großvater ist los, verhandeln. Eine ganze Dampferschaluppe ist gelandet. Alles Männer mit Gewehren. Matrosen. Rote. Die haben den Großvater dann auch gegrüßt. Der Ussow, der hatte ja gesagt: Wenn sie nicht grüßen, dann gib sofort Zeichen, dann mähn wir sie gleich um. Ich wusste aber nicht, was »ummähn« heißt, hat der Großvater erzählt. »Na, abstechen halt.«
    Und als er dann angelangt war, hats folgendes Gespräch gegeben:
    »Warum stehn da so viele Tschums?«, fragen die aus dem Boot.
    Der Großvater: »Da hat sich Volk versammelt und wartet auf die Kaufleute, um aufs Festland zu fahren, weil, es gibt nichts zu essen …«
    Die darauf: »Abschießen solltet ihr eure Kaufleute wie Robben. Wir täten euch helfen … Laden mal gleich aus, zeigen euch mal, was wir mitgebracht haben …«
    Damals war da noch freie Fläche. Die Tschums standen dort, wo jetzt der Friedhof ist, und nur ein paar standen da, etwas abseits. Sonst nichts. Und das Kap heißt Ussow-Kap, hieß früher so – hat keiner erzählt? Da, wo jetzt das Holzpflaster ist, da war früher so ein ganz kleines, langes, langes Kap, auf der Höhe, wo jetzt das Kuttergerippe liegt … So ein ganz langes und schmales Kap … Jetzt ists vom Meer geschluckt worden … Ursprünglich hießen die Russen
Luza
. Aber dann, wie die Roten aufgetaucht sind mit ihren Budjonowkas, da wurden sie
Eu sawk
, Spitzkopf, genannt, besonders unter den Frauen.
Die Deutschen
.
    Im Krieg starb einem Renhirten die Tochter. Die wollten sie nicht einfach in der Tundra begraben, sondern wenigstens zum Tundra-Friedhof bringen. Aber kaum waren sie los, wird erzählt, zieht Nebel auf, und sie haben sich verirrt. Zum Schneiden dicker Nebel! Kurz und gut, sie kamen an der Gussinaja-Mündung raus. Liegt da ein Schiff. Direkt beim Ufer. Ein Hochseeschiff. Mit Kanonen drauf. Und auf dem Hinterdeck alles voller Leute. Mit deutscher Flagge. Zum Greifen nah, wird erzählt … Vom Kap aus zu sehen … nicht weit vom Leuchtturm. Damals durfte sich keiner einem Leuchtturm nähern, auch nicht die Feinde. Die standen also auf dem Hinterdeck und riefen. War ja Nebel und alles still. Unsere sind also wieder los von da, und langen wieder dort an, wo die Tochter gestorben ist. Waren im Kreis gefahren. Mussten sie also so beerdigen. In der Tundra. Weil, die Küste, die ist nur auf der Seite von der Bugrjanka und der Waskina geschützt gewesen, da lagen unsere Schiffe. Aber was dort an der Nordküste vor sich gegangen ist, das weiß keiner.
Die Socken
.
    Jetzt tragen ja alle wattierte Jacken. Aber früher, da trug man Pimy (
Stiefel aus dem Fußfell von Rentieren
). Und nicht nur Pimy, auch keine Hosen nicht. Auch im Krieg sind die selten gewesen. Man ist in Fellhosen rumgelaufen, aus Rentierhaut. Und auch Hemden gabs keine. Also zum Drunterziehen. Wenns warm war, da hat man einfach die Maliza ausgezogen und sich umgebunden. Und das Fell von den Hosen nach außen gestülpt, dass einem die Beine nicht schwitzen. Und die Pimy hat man dann ohne Lipty (
Strümpfe aus Rentierfell
) getragen, dass einem die Füße auch nicht so schwitzen …
    Der Vater ist spät aus der Tundra hergekommen. War Jäger. Und hat Holz rangeschafft. Für die Schule und die Poliklinik. Holzlieferant war er, und Jäger. Und ist erst 62 hergekommen. In Fellhosen noch … Wie der Nikita Timofejewitsch, der ist auch noch in diesen umstülpbaren Hosen aus Fell rumgelaufen.
    Früher – vor langem –, da gab es große, wichtige Artelversammlungen,

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