Die Insel - Roman
gewesen. Anscheinend musste man als Lehrerin auch eine Menge von Psychologie verstehen, zumindest in Kalifornien. Aber vielleicht hatte sie ihr Wissen über das Schlafverhalten psychisch belasteter Personen auch in einer Talkshow aufgeschnappt.
»Also mir ist nicht nach Schlafen zu Mute«, sagte Kimberly.
»Du bist ja auch viel stärker als Thelma«, entgegnete Billie.
»Und eine echte Killermaschine dazu«, ergänzte ich, woraufhin Kimberly mich freundlich angrinste, Billie die
Augen verdrehte und Connie genervt aufstöhnte. Man kann es eben nicht allen Leuten recht machen.
Und so saßen wir etwa eine Stunde oder so um das Feuer herum und unterhielten uns über alles Mögliche au ßer den geplanten Hinterhalt. Dennoch möchte ich wetten, dass keiner von uns an etwas anderes dachte.
Ich fühlte mich nicht besonders gut, und obwohl es überhaupt nicht kalt war, bekam ich mehrere Male eine Gänsehaut. Tatsächlich war es so warm, dass ich kurz nach Sonnenuntergang sogar mein Hemd ablegte, das ich tagsüber jetzt immer zum Schutz vor der Sonne trug. Streng genommen ist es eigentlich gar kein Hemd, sondern eine Seidenbluse in hellem Pink, die früher einmal Billie gehörte. Andrew und Keith haben sie, wie so vieles andere auch, ein wenig lädiert aus der Bucht gefischt. Am unteren Teil des Rückens fehlt ein ganzes Stück, das bei der Explosion verbrannt ist, aber oben herum ist sie noch tadellos in Ordnung.
Billie hat sie mir gleich am ersten Tag hier auf der Insel gegeben (du meine Güte, es kommt mir vor, als ob das schon zehn Jahre zurück läge). Weil die Bluse zu den besseren Sachen gehörte, die wir aus dem Wrack retten konnten, fragte ich Billie, ob sie sie nicht lieber selber behalten wolle, aber sie antwortete mir: »Wenn ich sie brauche, weiß ich ja, wo ich sie finde.«
Bis jetzt hat sie noch nicht danach gefragt. Anscheinend ist sie glücklich darüber, dass sie die ganze Zeit im Bikini herumlaufen kann. (Ich glaube, ich habe schon mal geschrieben, dass sie offenbar einen leichten Hang zum Exhibitionismus hat. Bestimmt würde sie noch viel mehr sehen lassen, wenn ihre Tochter nicht hier wäre.) Vielleicht will sie die Bluse ja wiederhaben, wenn ihr die Sonnencreme ausgeht, aber ich persönlich hoffe, dass das nicht so bald
der Fall sein wird. Mir gefällt es, wenn sie so wenig wie möglich am Leib trägt.
Und so, wie die Dinge hier stehen, sind wir vermutlich alle längst tot, ehe wir uns Sorgen um unseren Vorrat an Sonnenschutzmitteln machen müssen.
Sei’s drum. Ich will mir jetzt nicht den Kopf über die Zukunft zerbrechen.
Zurück zu einem Thema, über das ich viel lieber schreibe - die Garderobe der Frauen.
Kimberly läuft die meiste Zeit mit Keiths bunt geblümtem Hawaiihemd herum, das sie immer offen trägt, so dass der Wind es beiseite weht und mir einen wunderbaren Blick auf ihre nackte, braune Haut und ihren knappen, weißen Bikini beschert.
Connie trägt einen ganz ähnlichen Bikini, nur dass ihrer orangefarben ist. Allerdings hat sie darüber die meiste Zeit ihr weites, weißes T-Shirt an, das nur hin und wieder mal die eine oder die andere Schulter freigibt. Es reicht ihr wie ein kurzes Kleid etwa bis zur Mitte der Oberschenkel. Der Stoff ist so dünn, dass man durchschauen kann.
Thelma trägt eigentlich immer das Gleiche.
Ach ja, Thelma.
Ich schätze, ich sollte mich nicht mehr länger mit Nebensächlichkeiten aufhalten und lieber gleich auf den Punkt kommen. Und schreiben, was schief gegangen ist.
Obwohl ich nicht gerade scharf darauf bin.
Irgendwie bin ich eben doch ein Drückeberger!
»Jetzt lasst uns zur Sache kommen« - das hat Billie gestern Abend am Feuer auch gesagt.
Und dann kamen wir endlich auf das Thema zu sprechen, das wir alle bisher vermieden hatten. Unseren geplanten Hinterhalt.
»Seid ihr bereit?«, fragte Billie.
Kimberly nickte stumm.
»Sollen wir das wirklich durchziehen?«, fragte Connie.
»Außer, du hast einen besseren Vorschlag«, erwiderte Billie.
Connie rümpfte die Nase.
»Wesley lässt uns nun mal keine andere Wahl«, sagte Kimberly. »Entweder er oder wir.«
»Ihr wollt ihn also wirklich umbringen?«
»Wenn wir können«, erwiderte Billie.
»Du hast das Messer«, sagte Kimberly zu ihr.
Billie hatte sich Andrews Schweizer Messer an der Hüfte in den Gummizug ihres Bikinihöschens gesteckt.
»Willst du ihn töten?«, fragte Kimberly.
Im flackernden Widerschein des Feuers schauten sich die beiden Frauen schweigend an.
Dann sagte
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